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Auch dem größten Gehirn können Irrtümer unterlaufen.

Foto: AP Photo/Heribert Proepper

Wien – Das Phänomen der Verschränkung war Albert Einstein nicht geheuer: Er fand es "spukhaft", dass in der Quantenwelt zwei Teilchen so verbunden sein können, dass die Messung an einem unmittelbar den Zustand des anderen festlegt. Doch Einstein irrte, wie 100.000 physikinteressierte Laien aus aller Welt 2016 bei Experimenten von zwölf Instituten zeigten. Die Ergebnisse der großangelegten Versuchsreihe wurden nun im Fachblatt "Nature" veröffentlicht.

Hintergrund

Laut Quantenmechanik bleiben zwei verschränkte Teilchen, etwa Photonen, miteinander verbunden, auch wenn sie sich über beliebige Distanzen von einander entfernen. Misst man an einem dieser Teilchen beispielsweise die Polarisation, also die Richtung der Schwingung, schwingt augenblicklich auch das andere Teilchen in diese Richtung.

Da sich nichts schneller als das Licht ausbreiten kann, widerspricht dies der Speziellen Relativitätstheorie – was Einstein zu seiner abschätzigen Einstufung der Verschränkung als "Spuk" veranlasste. Die "spukhafte Fernwirkung" ist bis heute eine gerne verwendete Formulierung geblieben. Dennoch wurden die Effekte der Verschränkung bisher in unzähligen Experimenten nachgewiesen.

Es galt, ein Schlupfloch zu schließen

Mit einiger Fantasie lassen sich aber Schlupflöcher finden, um die Verschränkung mit der klassischen Physik, also nicht quantenphysikalisch, zu erklären. Eines dieser Schlupflöcher betrifft die in Verschränkungs-Experimenten verwendeten Zufallszahlen-Generatoren. Sie liefern eine zufällige Folge von Nullern und Einsern, um unvorhersehbar zwischen zwei verschiedenen Messanordnungen hin- und herzuschalten.

Eine Restunsicherheit lag darin, wie lupenrein diese Zufälligkeit tatsächlich ist. Theoretisch könnte es sein, "dass die Welt etwas ganz Verschworenes ist", wie der Quantenphysiker Anton Zeilinger sagte, und dass diese Zufallszahlen-Generatoren fremdgesteuert werden. Damit wäre die Auswahl der Messung nicht völlig frei und unabhängig.

Überprüfung

Sogenannte Bell Tests, benannt nach dem nordirischen Quantenphysiker John Stewart Bell, haben die Verschränkung immer wieder bestätigt. Bei allen bisherigen Tests dieser Art bestand aber immer noch die theoretische Möglichkeit, dass die Messung der Teilchen verfremdet sein konnte. Man könnte auch annehmen, dass zwischen den bei Experimenten eingesetzten Zufallsgeneratoren und den Teilchen in einer gemeinsamen Versuchsanordnung eine Verbindung besteht.

Um dieses Schlupfloch zu schließen, hatten Physiker das globale Mitmach-Experiment "Big Bell Test" entworfen: In einem Online-Spiel sollten Freiwillige auf ihrem Computer, Tablet oder Smartphone willkürlich Nuller und Einser eingeben. Mehr als 100.000 Personen, darunter über 10.000 aus Österreich, erzeugten so eine zufällige Abfolge von über 90 Millionen Nullern und Einsern. Diese wurden unmittelbar in 13 verschiedene Experimente an weltweit zwölf Quanten-Laboren eingespeist und dort für die Einstellung der Messgeräte herangezogen, mit denen die Verschränkung der Lichtteilchen – einmal mehr – erfolgreich bestätigt werden konnte.

Die Schlussfolgerung

Die meisten dieser Experimente zeigten eine statistisch signifikante Verletzung des sogenannten lokal realistischen Weltbilds. Diesem in der klassischen Physik gültigen Paradigma zufolge kann eine Handlung an einem Ort nicht unmittelbar Effekte an einem anderen Ort auslösen. Zudem haben physikalische Systeme bestimmte Eigenschaften, unabhängig davon, ob diese gemessen werden oder nicht. Das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung verletzt diesen lokalen Realismus – wie der Big Bell Test nun neuerlich gezeigt hat.

Eines der am Experiment beteiligten Labore war das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. "Dass mithilfe der zufälligen Entscheidungen von mehr als 100.000 Menschen die Verschränkung von Teilchen nachgewiesen werden konnte, zeigt, dass die spukhafte Fernwirkung real ist", erklärte Ko-Autor Thomas Scheidl vom IQOQI.

Ein letzter Rest Unsicherheit bleibt

Streng genommen ist dieses Schlupfloch aber auch mit dem Big Bell Test nicht ganz geschlossen, "und man wird es auch nie ganz schließen können, weil man immer bestimmte Annahmen machen muss über die Unabhängigkeit der Wahl der Messbasis von den Eigenschaften der verschränkten Teilchen", so Scheidl. So könnte man etwa den Extremfall eines komplett deterministischen Universums, in dem es keinen freien Willen gibt, mit solchen Tests nicht ausschließen. (APA, red, 10. 5. 2018)