Eigentlich gebietet es ein ungeschriebenes Gesetz des Weißen Hauses, dass ein ehemaliger Präsident die Politik eines amtierenden nicht kommentiert. Weder positiv noch negativ, allein schon, um nicht den Eindruck zu erwecken, als könne er das Regieren nicht lassen. Barack Obama hat sich über weite Strecken mit eiserner Disziplin an die Regel gehalten. Nach Donald Trumps Entscheidung in Sachen Iran aber bricht er sie und legt jegliche Zurückhaltung ab. Das Atomabkommen aufs Spiel zu setzen, ohne dass Teheran es verletzt habe, sei ein schwerer Fehler, schreibt er in einer zwölf Absätze langen Erklärung über die Politik seines Nachfolgers.

Ohne den Pakt könnten die Vereinigten Staaten letzten Endes vor der Wahl stehen, entweder einen nuklear bewaffneten Iran akzeptieren zu müssen oder einen weiteren Krieg im Nahen Osten zu führen, warnt Obama. Wenn dem iranischen Atomprogramm mangels Abkommen keine Fesseln mehr angelegt seien, "könnten wir auf den Tag zusteuern, an dem wir die Wahl haben, mit dieser Gefahr zu leben oder aber in den Krieg zu ziehen, um ihr zuvorzukommen".

"Bisher dümmste Entscheidung"

John Kerry, als Obamas Außenminister maßgeblich beteiligt an den Nuklearverhandlungen, spricht von einem Schritt, mit dem Amerika ein einmal gegebenes Wort breche, sich von seinen europäischen Verbündeten isoliere, Israel einer wachsenden Gefahr aussetze und obendrein die Hardliner in Teheran stärke. Susan Rice, die Sicherheitsberaterin der Regierung Obama, nimmt in einem Essay für die "New York Times" kein Blatt vor den Mund. "Trumps bisher dümmste Entscheidung", heißt es schon in der Überschrift. Die USA stellten sich gegen einen Vertrag, der funktioniere. Indem man einseitig gegen ihn verstoße, untergrabe man die eigene Glaubwürdigkeit, die eigene Verlässlichkeit.

Dass der Präsident die Mahnungen aus Europa komplett ignorierte, ist etwas, was den oppositionellen Demokraten besonders bitter aufstößt. Beschwört es doch einen Riss herauf, wie es ihn seit Gründung der westlichen Allianz so noch nicht gab. Trump handelt, ohne sich auf einen einzigen europäischen Partner von Gewicht stützen zu können. Als George W. Bush 2003 den Befehl zum Einmarsch im Irak gab, hatte er immerhin noch Länder wie Großbritannien und Spanien an seiner Seite. Diesmal, bringt es der Senator Tim Kaine auf eine kurze Formel, "heißt es wirklich: Amerika allein".

Keine Alternativen

Bei den regierenden Republikanern reicht die Skala der Reaktionen von demonstrativem Applaus für einen Staatschef, der unbeirrt seine Wahlversprechen erfüllt, bis hin zu eher vorsichtig formulierten Bedenken. Letztere sind übrigens auch von Leuten zu hören, die dem Atomdeal ursprünglich nicht viel Gutes abgewinnen konnten, nun aber eine Eskalationsspirale in der nahöstlichen Krisenregion befürchten. "Der Kongress hat noch kein einziges Wort über die Alternative gehört", kritisiert Ed Royce, ein Konservativer aus Kalifornien, der den außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses leitet. Trumps Beschluss, gibt er zu verstehen, läuft auf eine Gratwanderung ohne Landkarte und Kompass hinaus.

Offen bleibt, wie die verschärften Sanktionen aussehen sollen, mit denen das Weiße Haus die Iraner derart unter Druck setzen will, dass sie sich in wirtschaftlicher Not auch auf härtere Auflagen einlassen, auf jenen "besseren Deal", den Trump ebenso lautstark wie vage beschwört. Beamte des Finanzministeriums feilen nach den Worten von Ressortchef Steven Mnuchin derzeit noch an einem Katalog zusätzlicher Strafen. Jene Sanktionen, die mit dem Atomabkommen ausgesetzt wurden, sollen dagegen mit sofortiger Wirkung von Neuem gelten. Es bedeutet, dass Unternehmen schon jetzt keine neuen Iran-Geschäfte mehr einfädeln dürfen.

Um laufende Verträge abzuwickeln, bleiben ihnen maximal sechs Monate. Nach Ablauf der Frist ist mit Konsequenzen zu rechnen, wobei diese laut einem Bericht des "Wall Street Journal" ausdrücklich auch europäischen Firmen drohen. Selbst wenn Frankreich, Deutschland und Großbritannien an dem Iran-Deal festhalten, schreibt das Blatt, werden die US-Sanktionen auch Unternehmen aus Europa treffen. Besonders dann, wenn sie in den Vereinigten Staaten aktiv sind oder aber den Dollar beziehungsweise amerikanische Banken für Transaktionen nutzen. (Frank Herrmann aus Washington, 9.5.2018)