Orpheus und Eurydike

Der Anfang von allem. Das 17. Jahrhundert befand sich noch im Säuglingsalter, als Jacopo Peri, Giulio Caccini und bald darauf auch Claudio Monteverdi den Stoff aus der griechischen Mythologie auf eine völlig neue Art erzählten. Sie verbanden Musik und Text auf eine schlichte, leicht fassbare Weise: Et voilà, die Oper war geboren. Die Geschichte über den besten Sänger der Welt und die Zauberkraft der Musik, die sogar den Tod überwindet, war dafür natürlich wie geschaffen. Es folgten unzählige Vertonungen des Stoffs, etwa von den Herren Gluck und Offenbach.

Glucks "Orfeo ed Euridice" bei der Salzburger Mozartwoche 2014
Foto: APA/Barbara Gindl

Pamina und Tamino

Das "hohe" und, verglichen mit Papageno und Papagena, ein bisschen fade Paar aus Mozarts Die Zauberflöte (1791). Tamino gerät gleich zu Beginn des Stücks in tierische Bedrängnis, wird jedoch von drei Damen gerettet. Der Traumatisierte verliebt sich in ein Bild Paminas – das Optische war auch in märchenhaften Vor-Instagram-Zeiten nicht unwichtig. Es schreckt den feinen Prinzen nicht, dass seine zukünftige Schwiegermutter, die Königin der Nacht, eine ziemlich schrille Person ist. Ist Mozarts ungemein beliebte, leicht fassbare Zauberflöte das erste Musical der Musikgeschichte? Vielleicht.

Szenenbild aus der Zauberflöte im Theater an der Wien aus dem vorigen Jahr.
Foto: Herbert Neubauer

Violetta und Alfredo

Die Oper ist inzwischen romantisch geworden, doch die Schicksalswege der Protagonistinnen gestalten sich immer noch dornenreich und enden meist letal. In Giuseppe Verdis La Traviata (1853) erlebt die Titelfigur einen Prozess der Läuterung: Die Edelprostituierte Violetta Valéry findet zur einen, reinen, wahren Liebe, auf die sie dann auch noch verzichtet. Ach, wie man Alfredos Vater Giorgio jedes Mal hasst für sein Spießertum. Verdi gelingen magische Momente en gros, so etwa gleich zu Beginn, wenn die hohen Streicher leise das Ende Violettas anklingen lassen. Taschentuch mitnehmen.

Eine Traviata-Produktion aus Orange aus dem Jahre 2016
Foto: Bertrand langlois

Siegfried und Brünnhilde

In einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis stehend wie einst die Ehepaare der europäischen Hocharistokratie (Siegfried ist der in Blutschande gezeugte Enkel des Obergottes Wotan, Brünnhilde dessen in Ungnade gefallene Lieblingstochter), verlieben sich der naive, furchtlose Held und die kampfeserprobte Walküre gar inniglich ineinander. Nützt alles nix: Siegfried wird hinterrücks ermordet, Brünnhilde reitet auf ihrem Pferd ins Feuer, nachdem ihr Mann sie im Drogenrausch emotional verwundet hat. Wagners Opernmarathon Der Ring des Nibelungen (1876) ist nichts für Anfänger und verlangt den Zuhörern einiges ab, entschädigt aber mit irre schöner Musik. Suchtgefahr.

Siegfried und Brünnhilde aus Wagners Ring im Theater an der Wien im Dezember 2017
Foto: Herwig Prammer

Samson und Dalila

Die Juden kämpfen gegen die Philister, und der Kraftlackel Samson kämpft gegen seine Liebe zur intriganten Priesterin Dalila an, in Camille Saint-Saëns' Samson et Dalila (1877). Das Geheimnis von Samsons physischer Macht ist in seiner Haarespracht zu finden, sie lockt sich in einer Länge und Fülle, wie es später nur noch bei französischen Königshäuptern des 18. Jahrhunderts und kreischstimmigen Hartrockern der 1980er-Jahre zu beobachten war. Doch kaum hat Dalila eine der schönsten Arien der Operngeschichte gesungen, beichtet der Liebestolle der Priesterin seinen Schwachpunkt. Dumm gelaufen.

Ein Szenenfoto aus "Samson et Dalila" der neuen Produktion der Wiener Staatsoper. Premiere: Samstag
Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Tosca und Cavaradossi

Eine Künstleroper. Die Titelfigur, die zur Eifersucht und zu divenhaften Auftritten neigende Floria Tosca, ist von Beruf Opernsängerin, ihr Angebeteter Maler. Gibt es eine Oper, die packender, kurzweiliger, schöner und brutaler ist als Puccinis Tosca (1900)? Am Ende sind alle drei Protagonisten tot, so muss es sein. Angela Gheorghiu war an der Wiener Staatsoper wohl die stimmigste Tosca der letzten Jahre, theatralisch, nervös wie ein edler Vollblüter, vokal souverän. Ist die Inszenierung von Margarethe Wallmann endlich unter Denkmalschutz gestellt worden? Immerhin hat der designierte Direktor des Hauses, Bogdan Roscic, in Interviews schon verlautbart, dass die Inszenierung nicht angerührt wird.

Tosca bei den jüngsten Salzburger Osterfestspielen.
Foto: Barbara Gindl

Salome und Jochanaan

Eine Nichtbeziehung eigentlich, die Geschichte eines extrem einseitigen Begehrens. Dem verwöhnten Prinzesschen Salome stellt in Jerusalem ihr Stiefvater nach, König Herodes. Doch sie interessiert sich mehr für den gefangenen Johannes den Täufer, der wiederum nur Gottes Stimme hörig ist. Salome tanzt für Herodes exzessiv und bis zur totalen Textilfreiheit hin und wünscht sich dafür den Kopf des Mannes, der es gewagt hat, ihre Avancen abzuweisen. War die Musik von Richard Strauss in seiner kurzen Phase der Modernenähe die beste? Jedenfalls ist seine kurze, dichte, schillernde Salome (1905) ein packendes Werk.(Stefan Ender, 11.5.2018)

Eine Salome aus der Mailänder Scala aus 2007
Foto: Marco Brescia