Quim Torra soll Kataloniens Regionalpräsident werden.

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Madrid – Die regierungslose Zeit in Katalonien geht zu Ende. Knapp fünf Monate nach den von Madrid angesetzten Neuwahlen erklärte der ehemalige Regierungschef Carles Puigdemont, dass er zugunsten von Joaquim Torra – genannt "Quim" – auf seine Kandidatur verzichtet. Die Parlamentssitzung, auf der sein Programm vorstellt, beginnt am Samstag um 12 Uhr. Die Abstimmung wird wohl am Sonntag sein. Sollte es – wider Erwarten – bis zum 22. Mai keine Regierung geben, müssten Neuwahlen angesetzt werden.

Puigdemont, der in Deutschland auf einen Entscheid über das spanische Auslieferungsantrag wegen "Rebellion" und "Veruntreuung öffentlicher Gelder" im Zusammenhang mit dem verbotene Referendum über die Loslösung Kataloniens von Spanien am 1. Oktober wartet, scheiterte einmal mehr an der spanischen Justiz.

Zwar hatte die Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter im katalanischen Parlament eigens das Reglement zur Wahl eines Regierungschefs dahingehend geändert, dass ein Kandidat auch per Videokonferenz sein Regierungsprogramm vorstellen kann, doch legte der konservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy dagegen Widerspruch beim Verfassungsgericht ein. Solange dieses nicht endgültig entscheidet, ist das Reglement außer Kraft. Puigdemont kann nicht kandidieren.

Kür von Berlin aus

Der ehemalige katalanische Regierungschef bestimmte deshalb am Donnerstagabend per Videoansprache von Berlin aus Torra als Alternativkandidaten. Der 55-jährige Anwalt gilt als unerbittlicher Verfechter der Unabhängigkeit seiner Heimat. Er war mehrere Jahre Vizepräsident und Präsident von Òmnium Cultural, neben der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) die wichtigste Organisationen für die Unabhängigkeit.

Puigdemont erklärte ausdrücklich, dass Torra, der mit den nötigen Stimmen im Parlament rechnen kann, eine Übergangslösung sei. Sollte das Verfassungsgericht das neue Reglement in einigen Monaten doch noch für rechtmäßig erklären, will Puigdemont erneut ins Amt. Er war von Madrid Ende Oktober abgesetzt worden, als Katalonien mit dem Verfassungsartikel 155 unter Zwangsverwaltung gestellt wurde.

Puigdemont und vier seiner Minister setzten sich nach Belgien ab. Zusammen mit zwei weiteren Politikerinnen, die sich in der Schweiz aufhalten, werden sie per europäischem und internationalem Haftbefehl gesucht. In Spanien selbst sitzen sieben ehemalige Minister und zwei Aktivisten in Untersuchungshaft – darunter der Nachfolger von Torra an der Spitze von Òmnium, Jordi Cuixart.

"Plan D"

Torra ist das, was die Befürworter der Unabhängigkeit "Plan D" nennen. Plan A war Puigdemont, Plan B der in Untersuchungshaft sitzende ehemalige Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und Plan C der ehemalige Sprecher Puigdemonts Jordi Turull. Letzterer erhielt nicht genug Stimmen und wurde nach der Abstimmung in Untersuchungshaft genommen.

Torra ist der erste Kandidat, der bisher keine offene Rechnungen mit der Justiz hat. Damit steht seinem Einzug als 131. "President" in die katalanische Regierung "Generalitat" nichts im Wege. (Reiner Wandler aus Madrid, 11.5.2017)