Abwandlung von Caravaggios "Die Falschspieler" aus dem 16. Jahrhundert: In dieser Version des Street-Artist Sirante in Rom wird Berlusconi (li.) von Salvini (Mi.) und Di Maio (re.) ausgetrickst.

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Zwei Populisten freuen sich über eine letzte Chance, der dritte sieht sich zähneknirschend zum Rückzug gezwungen. Die jüngste Wende in Italiens mehr als zweimonatigem Versuch, dem Land eine Regierung zu verpassen, hatte es in sich: Die sehr rechte Lega und die nicht rechte und nicht linke Protestbewegung Fünf Sterne arbeiten nun doch an einer Koalition, was in Brüsseler Institutionen und der Finanzwelt für Nervosität sorgt.

Die Ankündigung von Mittwochabend löste nicht nur Erstaunen aus, da Italiens Präsident Sergio Mattarella bereits eine parteiunabhängige Übergangsregierung in Aussicht gestellt hatte. Sie stellte auch eine Überraschung dar, weil Silvio Berlusconi dafür einen Schritt unternommen hat, der zuvor als ausgeschlossen galt: Er gab seine Blockade gegen eine Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf – und erlaubte es seinem Partner in der Rechtsallianz, die als Bündnis bei der Parlamentswahl am 4. März Platz eins errungen hatte, ohne ihn eine Koalition mit jener Kraft einzugehen, die als Einzelpartei die meisten Stimmen erhalten hat.

Die Fünf Sterne sehen in Berlusconi die Verkörperung von Korruption und Klientelwesen. Ihr Erfolg beruht auf dem Versprechen einer demokratischen Revolution, um das in ihren Augen kranke Parteiensystem zu überwinden. Den Ausschluss Berlusconis aus jedweder Regierung forderten sie daher nicht nur, sondern erklärten diese Bedingung gar für unerlässlich.

Angst vor Neuwahlen

Lega-Chef Matteo Salvini, der Berlusconi nicht fallenlassen wollte, ist es nicht gelungen, diesen zu einem freiwilligen Rückzug zu bewegen. Es waren vielmehr die eigenen Parlamentarier von Berlusconis Forza Italia, denen die Aussicht auf baldige Neuwahlen und damit auf den Verlust des eben erst ergatterten, hochdotierten Sitzes in Italiens Senat oder Abgeordnetenkammer einen Schrecken einjagt. Sie bedrängten den Parteichef, dessen Ämterverbot ein Mailänder Gericht Samstag Früh aufgehoben hat – das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg steht noch aus –, regelrecht, der Lega freie Hand zu gewähren. Ihre Chancen auf einen Wiedereinzug im Falle von Neuwahlen sind gering. Berlusconis Forza Italia befindet sich in den Umfragen im Sinkflug.

Bei den Wahlen kam das gesamte Rechtsbündnis, als dessen Leader Berlusconi im Wahlkampf aufgetreten war, auf 37 Prozent. Die Forza Italia blieb allerdings hinter der Lega zurück. Zwar entfielen auf sie 14 Prozent, was durchaus respektabel ist für den politisch schon oft totgesagten 81-Jährigen. Inzwischen aber liegt Berlusconis Partei bei gerade einmal elf Prozent, während sowohl Lega als auch Fünf Sterne weiter zugelegt haben. Bis Sonntag setzen Salvini und Sterne-Frontmann Luigi Di Maio mit Hochdruck alles daran, um ein Programm, Personal und eine Lösung für die Frage zu präsentieren, wer den Premier stellen soll. Ein gemeinsames Programm aus 19 Punkten steht seit Samstag Abend bereits, wie Vertreter beider Parteien verlauteten. Gelingt das Vorhaben, könnten sie am Montag den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Neue Hoffnungsträger

Scheitert das Experiment, dann bleibt es wohl beim Plan einer temporären Expertenregierung, die allerdings eine Vertrauensabstimmung im Parlament nicht überleben könnte. Salvini und Di Maio blicken Neuwahlen überaus entspannt entgegen. Für Berlusconi hingegen zeichnet sich die Entwicklung weiter ab, die er durch sein erhofftes Comeback verhindern wollte: Politisch bewegt er sich weiter seinem Ende zu.

Es wäre zwar falsch anzunehmen, dass er gar keinen Einfluss mehr in dem Rechtsbündnis ausübt, das er 1994 selbst gegründet hat. Er war es auch, der die separatistische, für die Unabhängigkeit Padaniens kämpfende Lega erstmals in die Regierung geholt und sie so landesweit salonfähig gemacht hat. Berlusconi hat es immer schon besser als seine Widersacher verstanden, die breitestmöglichen Bündnisse zu schmieden. Bei der jüngsten Wahl hat der vierfache Ex-Premier auch einmal mehr sein Gespür erwiesen, als er sich als Einziger gezielt der älteren Bevölkerung zugewandt hat. Allein die über 65-Jährigen machen 12,5 Millionen aus – das sind eine Million mehr Stimmen als jene der unter 35-Jährigen.

Allerdings haben ihm Salvini und Di Maio endgültig den Rang dabei abgelaufen, an die Sehnsucht der Italienerinnen und Italiener nach einem Wandel zu appellieren. Die Lega bringt es eher fertig, die Proteststimmung im Norden, den Unmut gegen die Staatsbürokratie, den Wunsch nach niedrigen Steuern für sich zu kanalisieren. Die Sterne wiederum haben ihm den vernachlässigten Süden abspenstig gemacht. Bleibt also nur mehr zu klären, ob die neuen Hoffnungsträger nun auch zum Zug kommen. (Anna Giulia Fink, 12.5.2018)