Pionier der Wasserkontrolle Andreas Weingartner am Donaukanal: 98 Prozent seiner Kunden sind aus dem Ausland. Das liegt auch an der guten heimischen Wasserqualität.

Foto: s::can

Die großen Weltströme fließen in Wien zusammen. Zumindest digital: Denn im Bezirk Brigittenau, der ausgerechnet durch die Verdrängung der Donau gewonnen wurde, sitzt das global tätige Unternehmen für Wasserqualitätskontrolle s::can.

In einem unscheinbaren Haus blinken auf einem Monitor grüne und rote Punkte entlang einer Verlaufskarte des 2.500 km langen heiligen Flusses der Hindus. Daten über die Wasserverschmutzung von hundert Messstationen werden hier in Echtzeit ausgewertet und an die Umweltbehörden von Haridwar bis Kalkutta übermittelt.

Ein Schluck vom heiligen Strom Ganges vor dem Tod ist für Hindus wichtig für eine reibungslose Wiedergeburt. Bei der derzeitigen Verschmutzung kann er den Prozess jedenfalls beschleunigen.
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"Indien hat seit den 80er-Jahren vergeblich versucht, die Umweltsituation im Einzugsgebiet des Ganges zu verbessern", erklärt Unternehmensgründer Andreas Weingartner. Die Regierung in Delhi hat zwar mithilfe der Weltbank viele Kläranlagen gebaut, der Erfolg blieb jedoch bescheiden. Die Industrie in der Region mit 500 Millionen Einwohnern wächst ebenso rasant wie die Landwirtschaft, die Kontrolle aller Fabriken und deren giftiger Abwässer war aber mit herkömmlichen Messmethoden nicht möglich.

Früher wurden Stichproben in Laboren ausgewertet. "Dabei kommt absolut nichts heraus", sagt Weingartner. Damit man Verschmutzer ertappt, muss das Wasser kontinuierlich kontrolliert werden. Das Verfahren dazu haben Weingartner und sein Team erfunden. "Wir haben dadurch sogar die Gesetzgebung in Indien beeinflusst." Annähernd 1.000 Betriebe auf dem Subkontinent werden inzwischen von s::can überwacht.

Neue Methode erfunden

Begonnen hat für den heute 55-Jährigen alles vor zwanzig Jahren und mit der Not, die erfinderisch macht. Bereits 1999 wollte der damalige Assistent an der Universität für Bodenkultur die Auswertung von Wassermessungen als Dienstleistung kommerziell anbieten. Aber es gab ein Problem: Die Geräte, um die notwendigen Messungen durchzuführen, gab es nicht.

Daher gründete Weingartner ein Start-up und baute seine eigenen Sonden. "Wir wollten gleich etwas Revolutionäres." Das Resultat: ein taschenlampengroßes Messgerät, das etwa so funktioniert wie eine extrem genaue Digitalkamera, die man unter Wasser hält. Binnen Sekunden liefert die Sonde Konzentrationswerte. Wesentlich ist letztlich die Software, um die verschiedenen Stoffe im Wasser zu erkennen.

Eine Messstation für Wasserqualität erhält den Segen eines Brahmanen. Die hindu-nationalistische Regierung Modi hat sich der Säuberung des Ganges verschrieben.
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"Mittlerweile gibt es immer drei oder vier günstigere chinesische Raubkopien unserer Sonden, zumindest vom Vorjahresmodell", sagt Weingartner. Der Billigkonkurrenz fehlen aber sowohl die hochpräzise Hardware als auch die Algorithmen, um eine exakte Kontaminierung zu bestimmen.

Schutz vor Terroristen

Wer genau wissen will, was im Trinkwasser steckt, kommt an den Österreichern kaum vorbei. Seit den Anschlägen von 9/11 fürchten die US-Behörden, dass Terroristen das Wasser mit Anthrax und Co vergiften könnten. "Wir überwachen daher im Dienste der Homeland Security das Trinkwasser in den meisten amerikanischen Großstädten."

Zu den Kunden zählen nationale Behörden, Gemeinden oder die Industrie. Mittlerweile hat s::can rund 75 Mitarbeiter und Niederlassungen in den USA, China, Mexiko, Spanien und Frankreich. "Weltweit haben wir seit unserer Gründung beinahe 10.000 Systeme verkauft und sind damit global Marktführer", sagt Weingartner stolz.

Österreicher scheuen Vertrieb

Am Firmensitz in Brigittenau stößt man mittlerweile an seine Grenzen. Schließlich erstreckt sich hier durch die verwinkelten Gänge ein kleiner Industriebetrieb, in dem die Messgeräte gefertigt, verpackt und versandt werden.

Schwierig sei auch die Suche nach Mitarbeitern. Wassertechniker hierzulande sind höchst qualifiziert. Aber man finde in Österreich keine Leute für den Vertrieb, bedauert Weingartner. In anderen Ländern, wie etwa in den USA, sei es eine Beförderung für einen Ingenieur, wenn er sein Fachwissen in den Verkauf einbringen dürfe. "Bei uns wollen das Ingenieure nicht."

Wasserkontrolle für Ärmste

Weingartner selbst ist auf der ganzen Welt unterwegs, vom Perlflussdelta in China über den Rio Atoyac in Mexiko bis zu den Ureinwohnern im Norden Kanadas, die von den Verschmutzungen der für sie aber durchaus lukrativen Ölschiefergewinnung betroffen sind. Auf diesen Reisen lerne er viel: "Durch das Wasser kann man in eine Gesellschaft hineinschauen."

Doch dieser Blick fällt bei weitem noch nicht überall hin. Das oft stark verunreinigte Trinkwasser in den Armenvierteln der Welt wird kaum überwacht. Ein leistbares Messgerät auf Grundlage der LED-Technologie hat man bei s::can bereits entwickelt, und man erwartet sich weitere dramatische Kosteneinsparungen.

In Zukunft, hofft Weingartner, soll jeder Schluck Wasser auf der Welt zuvor überwacht werden. "Das ist sowohl meine soziale als auch meine kommerzielle Vision. Es gibt keinen Grund, warum heute noch Milliarden von Menschen auf der Welt Wasser mit zweifelhafter Qualität trinken müssen." (slp, 13.5.2018)