Wer eine Leihmutter engagiert, hegt meist den Wunsch nach einem biologischen Kind.

Foto: Patrick Pleul

Mit Tränen in den Augen und den Worten "wir sind Familie" verabschiedet sich Anna* nach einem Besuch in Wien. Einfacher könnte sie das Verhältnis zwischen den beiden Vätern Peter* und Robert*, deren Kindern und ihr selbst kaum ausdrücken.

Dabei ist dieses alles andere als einfach – gesellschaftspolitisch und ethisch hochkomplex trifft es eher. Anna ist die "Leihmutter" von Peters und Roberts leiblichen Kindern. Diese sind aus Samenspenden – einmal von Peter und einmal von Robert -, Eizellenspenden und Annas Uterus entstanden. Wobei es "Leihmutterschaft" nicht ganz trifft, denn verliehen wird keine Mutterschaft, sondern die physische Fähigkeit zu gebären. Viele bevorzugen deshalb den Ausdruck "Leihgebärende". Für Peter, Robert und deren Kinder ist Anna schlicht die "Mama".

Es gibt viele offene Fragen zu dieser Familie, nach der unterschiedlichen Bewertung biologischer und sozialer Elternschaft, nach dem Umgang mit unbekannter genetischer Herkunft, nach Identität oder auch, was Schwangerschaft als bezahlte Arbeit in einer globalisierten Welt mit enormen Wohlstandsgefällen bedeutet. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen darüber stehen noch am Anfang, während Biotechnologien und Gesetze diesen Debatten davongaloppieren.

Lukrativer Wirtschaftssektor

In Russland, der Ukraine, manchen Bundesstaaten der USA und Südafrika ist sowohl die kommerzielle als auch altruistische Leihmutterschaft erlaubt, in Australien, Kanada, Schweden und Indien nur Letztere. Ein volles Verbot gilt in den meisten westeuropäischen Ländern – auch in Österreich. Das hindert Paare mit dringendem Kinderwunsch aber nicht daran, um die Welt zu jetten und es dennoch zu versuchen. Nationale Gesetze lassen sich durch die Vermittlung auf Onlineplattformen leicht umgehen. Auch wenn es keine verlässlichen Statistiken über die Situation in Österreich gibt, steht fest: Leihmutterschaft ist auch hierzulande eine Realität.

Anders als in Deutschland dürfen Ärztinnen und Ärzte in Österreich sogar Institute im Ausland empfehlen. Reproduktionsmedizin hat sich zu einem lukrativen Wirtschaftssektor entwickelt. Je nach Land und Situation zahlen Paare für eine Leihmutterschaft zwischen 5000 bis 100.000 Euro.

"Leihmutterschaft ist Ausbeutung", davon ist die österreichische Plattform "Stoppt Leihmutterschaft" überzeugt. In einer im Frühjahr gestarteten Petition fordert sie ein globales Verbot der umstrittenen Praxis. Zu den prominenten Unterstützerinnen und Unterstützern der Kampagne zählen die Feministin Alice Schwarzer, die Journalistin Elfriede Hammerl oder der frühere ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg.

Verbot als "klare Grenze"

"Ein Verbot zeigt eine klare Grenze auf", sagt die Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin Maria Eberstaller, eine der Sprecherinnen der Plattform. Die ungleichen sozialen und wirtschaftlichen Lebensrealitäten zwischen Bestelleltern und Leihmüttern würden zudem Missbrauch befördern.

Feministische Positionen zum Thema sind indes mehrdeutig: Für die Wiener Philosophin Birge Krondorfer bedeutet Leihmutterschaft eine "krude Verknüpfung von Technologie und Profit", Frauenkörper würden als "Rohstoff" benutzt und kommerziell verwertet. Anders sieht das die britische Autorin und Feministin Laurie Penny. Nicht die Technologie sei schlecht, es komme auf die praktische Anwendung an, sagt sie.

Was also, wenn Leihmutterschaft für Frauen eine substanzielle Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse bewirkt? Für Anna war das jedenfalls so, erzählen Peter und Robert. Anna wollte sich mit insgesamt drei "Auftragsschwangerschaften" eine Wohnung kaufen, "und die hat sie inzwischen auch", erzählen die beiden Väter, die nach wie vor mit Anna Kontakt haben. Angewiesen war sie auf die Arbeit als Leihgebärende nicht, sie ist gut ausgebildet und hatte "normale" Jobs.

Selbstbestimmte Leihmutterschaft

Die vertragliche Regelung zwischen den dreien klingt fast nach "Fair Trade" – in anderen Fällen verläuft das nicht immer so. Peter lernte sogar Annas Muttersprache. Gezeugt wurden seine Kinder in einer skandinavischen Klinik.

Wären die Bedingungen für Leihmütter besser, wenn sich die Frauen freiwillig für die Leihmutterschaft entscheiden und jederzeit, auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt, ihre Meinung wieder ändern könnten? Ja, antwortet die deutsche Politologin und Expertin für Biotechnologien, Susanne Schultz. Doch so viel Selbstbestimmung stehe im Widerspruch zu den Geschäftsmodellen der Kinderwunschbranche, die Menschen ein "eigenes" Kind versprechen. In vielen Verträgen werde schon ein Sorgerecht konstruiert, bevor die Frau schwanger ist. Ist selbstbestimmte Leihmutterschaft also überhaupt möglich? Das ist eine ausufernde Frage: In Indien arbeiten diskriminierte Frauen aus der Kaste der Dalits als Leihmütter. Wegen der indischen Bevölkerungspolitik würden sie sonst für Sterilisationsprogramme in Frage kommen. Durch Leihmutterschaft werden sie plötzlich zu einer "produktiven Arbeitskraft", sagt Schultz.

"Biologistische Perspektive"

"Bei Leihmutterschaftsverträgen geht es immer um Kinderhandel – egal zu welchen Bedingungen", meint hingegen Stephanie Merckens, Juristin und ebenfalls Sprecherin der Plattform gegen Leihmutterschaft. "Jedes Kind hat das Recht, nicht gegen Geld gehandelt zu werden und nach Möglichkeit bei den leiblichen Eltern aufwachsen zu können", ergänzt Eberstaller.

Hier widerspricht Schultz. Dass die leiblichen Eltern per se für jedes Kind die besten Eltern seien, sei "eine sehr biologistische Perspektive, nach der andere Arten des Zusammenlebens einem Kind kein liebevolles, glückliches Leben ermöglichen", sagt diese.

Warum jedoch muss es unbedingt ein biologisches Kind sein? Diese Frage wurde Robert und Peter oft gestellt. Als schwules Paar müssten sie sich für den Wunsch nach leiblichem Nachwuchs stärker rechtfertigen als Heterosexuelle, erzählen beide. Schultz bestätigt das: Heterosexuelle seien als Bestelleltern bei weitem in der Mehrheit. Doch darüber reden wollten sie selten – auch nicht für diesen Artikel. (Beate Hausbichler, Christine Tragler, 13.5.2018)