Gaza/Jerusalem – Bei erneuten Konfrontationen mit israelischen Soldaten ist an der Gaza-Grenze ein Palästinenser erschossen worden. 167 Palästinenser seien verletzt worden, davon 45 durch Schüsse, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza am Freitag. Ein freier Fotograf, der auch für die Deutsche Presse-Agentur arbeitet, wurde am Bein verletzt.

Nach Angaben der israelischen Armee beteiligten sich etwa 5000 Palästinenser an den Protesten. Bei den Krawallen seien Steine auf israelische Soldaten geworfen und Reifen verbrannt worden.

Seit Ende März sind damit bei Auseinandersetzungen an der Gaza-Grenze 54 Palästinenser getötet und Tausende verletzt worden. Auslöser der Proteste sind die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels, die die Palästinenser als Katastrophe ansehen.

Zaun durchschnitten

Der Abschluss des "Marsches der Rückkehr" ist am 15. Mai geplant. Mit der Protestaktion fordern die Menschen ein Recht auf Rückkehr in das heutige israelische Staatsgebiet. Israel lehnt das ab.

Der Gaza-Chef der Hamas, Jihia al-Sinwar, bezeichnete am Donnerstag den Grenzzaun zu Israel als rechtswidrig. "Der Zaun ist einseitig durch die Besatzungsmacht angebracht worden", sagte Sinwar. "Was ist das Problem mit Hunderttausenden, die einen Zaun stürmen, der nicht die Grenze eines Staates ist?" Nach der ursprünglichen Grenze gehörten zum Gazastreifen noch weitere Flächen hinter dem Zaun.

Palästinensische Augenzeugen berichteten, Dutzende junger Männer hätten den Grenzzaun im südlichen Teil des Küstengebietes durchschnitten. Bilder zeigten am Freitag junge Männer zwischen brennenden Reifen und schwarzen Rauchschwaden.

Lenkdrachen

Erneut schickten Palästinenser mehrere Lenkdrachen mit brennenden Stofffetzen nach Israel. In den vergangenen Wochen hatten nach Medienberichten mehrfach Lenkdrachen dieser Art Feuer im Süden Israels ausgelöst, es entstand hoher Sachschaden.

Drei Israelis versuchten ihrerseits laut Medienberichten, einen ähnlichen Lenkdrachen von Israel in den Gazastreifen zu schicken. Der Drache fiel allerdings noch auf israelischen Boden – und entzündete dabei ein kleines Feuer an einem Feld. Die israelische Armee nahm die Verdächtigen nach Angaben der Polizei am Freitag fest.

Rund ein halbes Jahr nach der umstrittenen US-Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt wollen die USA am Montag dort ihre Botschaft eröffnen. Es ist der 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Parallel erwarten die Organisatoren von Massenprotesten im Gazastreifen rund eine Million Palästinenser an der Grenze zu Israel.

Sie protestieren damit gegen die Botschaftsverlegung. Außerdem gedenken sie der Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden während des 1. Nahost-Krieges nach der Staatsgründung Israels 1948. Der Tag der Nakba (Katastrophe) ist traditionell am 15. Mai, wird aber wegen der Botschaftseröffnung vorgezogen.

Israel hat 1967 im Sechstagekrieg den Ost-Teil von Jerusalem erobert. Es sieht ganz Jerusalem als seine Hauptstadt an. Die Palästinenser wollen hingegen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen künftigen Staat Palästina.

Protestmarsch

In Ramallah im Westjordanland werden ebenfalls Tausende Palästinenser bei einem Protestmarsch erwartet. Die politischen Fraktionen haben dazu aufgerufen, auch zu Kontrollpunkten der israelischen Armee zu gehen. Dabei kommt es üblicherweise zu Konfrontationen zwischen beiden Seiten.

Außerdem werden bereits am Sonntag Tausende Israelis in der Jerusalemer Altstadt erwartet, die den Jerusalem-Tag begehen. Dabei feiern sie die Eroberung des Ost-Teils der Stadt während des Sechstagekrieges. Traditionell gehen sie dabei auch durch das muslimische Viertel der Altstadt. Aktivisten haben dies in der Vergangenheit als Provokation gegenüber den Palästinensern bezeichnet.

Das Außenministerium warnte Reisende vor dem erhöhten Konfliktpotenzial vom Sonnenuntergang am Samstag, 12. Mai, bis zum Beginn des Ramadan voraussichtlich am 16. Mai. Besonders in Jerusalem könnten gewalttätige Ausschreitungen nicht ausgeschlossen werden, heißt es auf der Webseite des Ministeriums (Stand von Freitag). "Es ist besondere Vorsicht angebracht und es wird angeraten, je nach konkreter Situation die Hotspots (z.B. um den Tempelberg) zu meiden." (APA, 11.5.2018)