Eva Husson "Les filles du soleil" am prominenten Samstagabend-Termin zu spielen, war ein Signal.

Foto: Filmfestspiele Cannes

Ein Bildessay mit (ironisch?) erhobenem Zeigefinger: Jean-Luc Godards "Le livre d’image".

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Aufmarsch der Frauen am roten Teppich. In der Mitte, flankiert von Jury-Präsidentin Cate Blanchett und Regisseurin Celine Sciamma: die 89-jährige Regisseurin Agnès Varda.

Foto: AFP/Alberto Pizzoli

Drei Regisseurinnen konkurrieren dieses Jahr im Wettbewerb des Filmfestivals Cannes um die Goldene Palme. Jane Campion hat 1993 für Das Piano als bisher einzige Frau (!) den vielleicht wichtigsten Preis für Filmkunst gewonnen. So lauten die betrüblichen Fakten.

Dass nun am prominenten Samstagabend-Termin die Premiere von Eva Husson Les filles du soleil angesetzt wurde, muss man insofern auch als Zeichen von schlechtem Gewissen deuten. Anstatt auf solche schlaglichthaften Akzente zu setzen, wäre es besser, nüchtern und konsequent daran zu arbeiten, eine größere Ausgewogenheit herzustellen. Dann bräuchte es auch gar kein Aushängeschild.

#MeToo-Plädoyer von 82 Frauen

Zumindest nutzten 82 Schauspielerinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen den roten Teppich, um Unterstützung für die #MeToo-Bewegung und gegen Ungleichheit zu demonstrieren. Kristen Stewart, Alice Rohrwacher, Marion Cotillard, Agnès Varda, Patty Jenkins, Jurypräsidentin Cate Blanchett und viele mehr formierten sich zu einem erinnerungswürdigen Spalier. "Als Frauen sind wir alle mit unseren eigenen einzigartigen Herausforderungen konfrontiert, doch heute stehen wir gemeinsam auf diesen Stufen, als Symbol unserer Entschlossenheit und des Engagements für Fortschritt", hieß es in dem Plädoyer, das Blanchett vortrug.

Das Bild wird bleiben, Hussons Film eher nicht. In seiner klischeebeladenen Abhandlung über das Leid kurdischer Kämpferinnen in Syrien bleib er einfach nur ein Beispiel für einen auf vielen Ebenen gescheiterten Film. Besonders befremdlich erschien daran der Umstand, dass die Motivation couragierter Soldatinnen an ihre Mutterrolle geknüpft wird. Als gäbe es für Frauen keine anderen Gründe, die Stiefel anzuziehen und zur Waffe zu greifen.

Filme, die zeigen, was nicht passiert

"Das Kino sollte nicht so sehr das zeigen, was passiert, weil man dies ohnehin jeden Tag um einen herum sehen kann. Das Kino sollte zeigen, was nicht passiert und was niemals irgendwo passiert, Facebook miteingeschlossen." Jean-Luc Godard sagte diese treffenden Worte, als er bei der Pressekonferenz zu seinem neuen Film Le livre d’image per Smartphone zugeschaltet wurde. Dass der 87-jährige Filmemacher nur als Bild und Stimme in Cannes erschienen ist, passt zu seiner mythischen Rolle für die Filmwelt. Ein Doktor Mabuse, eine Kassandra des Kinos, der mit (ironisch?) erhobenem Zeigefinger spricht: In seinem dunkel-messianischen, an seine Histoire(s) du Cinéma erinnernden Bildessay geht es im letzten Drittel auch um die Misere der Arabischen Welt.

Godard nimmt unter anderem auf Albert Cosserys Roman Une ambition dans le désert Bezug, der ein fiktives Szenario über geopolitische Verstrickungen (und die westliche Aggression) in der Golfregion entwirft. Und er rekurriert auf Alexandre Dumas, der in seinen Reisetagebücher den Begriff des "glücklichen Arabiens" geprägt hat, ein verlorenes Paradies, das heute in den Trümmern historischer Fehlentscheidungen liegt.

Von Idioten verraten

Wie immer triumphiert bei Godard das Fragmentarische über die eindeutige Kohärenz, wie immer verliert man sich im Gewitter der Assoziationen. Dem Ton kommt in Le livre d’image eine besondere Funktion zu: Die merkbar geschwächte Stimme des Regisseurs springt einen aus diversen Dolby-gerechten Ecken und Enden in unterschiedlichen Intensitäten an – kryptisch, verführerisch, ausdrücklich: Die Kunst der Demokratie? Verraten von den Idioten an der Macht. "Alle wollen Könige sein, niemand mehr Faust." (Dominik Kamalzadeh, 13. 5. 2018)