Tobias Eberwein (Akademie der Wissenschaften) über Antworten auf den...

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... Geschwindigkeitsrausch der Medien (Aus der Reihe: sinnige Symbolbilder).

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Medien und Journalismus erfüllen wichtige Funktionen zur Selbstbeobachtung und Selbstverständigung moderner Gesellschaften. Allerdings wird die Umsetzung dieser Funktionen gegenwärtig durch verschiedene Kontextfaktoren in zunehmendem Maße erschwert: Aktuelle Debatten rund um politisch aufgeladene Schlagwörter wie "Fake News" und "Lügenpresse" zeugen von einem weitreichenden Vertrauensverlust in professionell gestaltete Medienprodukte. Die fortschreitende Ökonomisierung redaktioneller Arbeit lässt die finanzielle Basis des Journalismus mehr und mehr brüchig werden. Und auch der technologische Wandel führt zu neuen Herausforderungen: Kann journalistische Information im Zeitalter digitaler Medienproduktion überhaupt noch verlässlich sein?

Entschleunigung als Schlüssel

In dieser Gemengelage fordern viele Medienforscher – ebenso wie Medienpraktiker – eine grundlegende Neubestimmung der Identität des Journalismus und seiner professionellen Ziele. Statt dem allgemeinen Geschwindigkeitswahn zahlreicher Online-Nachrichtenplattformen zu folgen, argumentieren sie, dass Entschleunigung der Schlüssel für journalistische Akteure sei, um das Vertrauen des Publikums wiederzugewinnen – und in bestmöglicher Weise ihren gesellschaftlichen Funktionen nachzukommen. Besondere Hoffnungen werden dabei in das Darstellungsmuster eines erzählenden und durch literarische Gestaltungselemente bereicherten Journalismus gelegt, dem immer wieder vielseitige Potenziale bei der Vermittlung einer zunehmend komplexeren sozialen Wirklichkeit zugeschrieben werden.

Tatsächlich hat die empirische Kommunikations- und Medienforschung bereits zahlreiche Indizien gesammelt, die die Potenziale eines solchen literarischen Journalismus zu belegen scheinen. So zeigen beispielsweise Experimentalstudien, dass erzählende Darstellungsformen für Mediennutzer in der Regel leichter verständlich sind – und dass zentrale Inhalte oft besser behalten werden als etwa bei traditionellen Nachrichten. Dieses Prinzip gilt nicht nur für analoge Medien: Auch und gerade im Onlinejournalismus bieten sich für journalistische Storyteller viele neue Gestaltungsmöglichkeiten – was nicht zuletzt internationale Branchenführer wie die New York Times und der Guardian immer wieder mit innovativen Großreportagen veranschaulichen. Derartige Formen des digitalen Erzählens bieten einen weiteren Kontrapunkt zum herkömmlichen News-Einerlei, der die Wirkungspotenziale des Journalismus entscheidend erweitert.

Mangelnde Institutionalisierung

Allerdings sind derartige Berichterstattungsmuster für die Produzenten sehr aufwändig – und nur in wenigen Medienhäusern im deutschen Sprachraum fest institutionalisiert. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass herausragende Best-practice-Beispiele hierzulande bislang eine Ausnahmeerscheinung bleiben. Das ist vor allem im anglo-amerikanischen Raum anders. Dort hat die Wucht der fortschreitenden Medienkrise der Branche offenbar frühzeitig die Notwendigkeit von Innovationen verdeutlicht – und sie quasi gezwungen, sich selbst zu erneuern.

Impulse durch die Wissenschaft?

Umso begrüßenswerter ist es, dass der Themenkreis "Storytelling im Journalismus" in laufenden Woche auch in Wien zum Gegenstand fachöffentlicher Diskussionen wird. Die wissenschaftliche Tagung "Literary Journalism: Theory, Practice, Pedagogy" will die vermeintlichen Vorteile des Erzähljournalismus in digitalen Medienwelten genauer unter die Lupe nehmen. Welche (theoretischen) Optionen bieten narrative Darstellungsmuster für verantwortungsvolle Medienkommunikation? Inwieweit werden sie in der redaktionellen Praxis realisiert? Wie lassen sich die besonderen Potenziale erzählender Formen in der Journalistenausbildung angemessen vermitteln? Und inwiefern können sie zu einer nachhaltigen Unterstützung der gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus beitragen?

Diese Fragen beantworten die Beiträge der vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) organisierten Konferenz aus internationaler und interdisziplinärer Perspektive. Dank einer Kooperation mit der International Association for Literary Journalism Studies (IALJS), die neben Medien- und Kommunikationswissenschaftlern, Soziologen, Ökonomen, Sprach- und Literaturwissenschaftlern sowie Historikern auch journalistischen Praktikern eine Heimstatt bietet, konnten mehr als 70 Referenten aus insgesamt 20 unterschiedlichen Ländern aus allen Kontinenten der Welt nach Wien eingeladen werden, um über die Chancen und Schwierigkeiten erzählender Journalismusformen zu diskutieren. Es wäre schön, wenn sich daraus auch Impulse für die Medienlandschaft in Österreich ableiten ließen. (Tobias Eberwein, 14.5.2018)