Neuer Regionalpräsident Katalaniens: Quim Torra.

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Barcelona/Madrid – Nach monatelangem Machtkampf mit der spanischen Zentralregierung hat Katalonien mit dem Unabhängigkeitsbefürworter Quim Torra einen neuen Regionalpräsidenten. Der Nachfolger des von Madrid abgesetzten Carles Puigdemont erhielt am Montag im Parlament in Barcelona knapp die nötige einfache Mehrheit.

Damit geht in Katalonien ein halbes Jahr ohne eigene Regierung zu Ende. Gleich am Dienstag wollte Torra in Berlin Puigdemont treffen.

66 Abgeordnete im katalanischen Regionalparlament stimmten für Torra, 65 gegen ihn, vier enthielten sich. Torra gilt als ebenso überzeugter Unabhängigkeitsbefürworter wie sein Vorgänger Puigdemont, der ihn als Nachfolger vorgeschlagen hatte. Der 55-jährige Verleger und Polit-Neuling kündigte vor dem Parlament an, "einen unabhängigen Staat, eine Republik" Katalonien errichten zu wollen.

Torra will "Botschaften"

Torra sprach sich zudem dafür aus, die von der spanischen Justiz ausgesetzten oder annullierten katalanischen Gesetze wieder in Kraft zu setzen, Kataloniens "Botschaften" erneut zu öffnen und die Ausarbeitung der Verfassung der künftigen Republik Katalonien voranzutreiben. Zunächst muss Torra jetzt aber eine Regierung bilden.

In seiner Rede vor dem ersten Wahlgang am Samstag hatte Torra versprochen, als Regionalpräsident "unermüdlich" für Kataloniens Unabhängigkeit von Spanien zu kämpfen. Zugleich sicherte er zu, Puigdemont so bald wie möglich die Rückkehr an die Macht zu ermöglichen. Dieser bleibe Kataloniens "legitimer Präsident". Als Zeichen seiner Treue dürfte zu verstehen sein, dass Torra Puigdemont bereits am Dienstag in einem Hotel in Berlin treffen wollte.

"Puigdemonts Bauchredner"

Die katalanische Opposition bezichtigte Torra, eine "Marionette" Puigdemonts zu sein, der mittlerweile im Exil in Berlin lebt. Die konservative spanische Zeitung "El Mundo" nannte Torra "Puigdemonts Bauchredner".

Die Regierung des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy bekräftigte unterdessen, dass sie Katalonien jederzeit wieder unter Zwangsverwaltung stellen könne, sollte Torra gegen die Verfassung verstoßen. Zugleich sprach sich Rajoy aber für "Verständigung und Harmonie" aus.

Bei der Abstimmung im Parlament erhielt Torra die Unterstützung fast aller Unabhängigkeitsbefürworter, während die Opposition in Barcelona geschlossen gegen ihn stimmte. Am Samstag war Torra im Parlament zunächst gescheitert, weil er die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit verfehlte. Der neue Regionalpräsident musste bis zum 22. Mai gewählt werden, andernfalls wäre eine erneute Parlamentswahl fällig geworden.

CUP ermöglichte Torras Wahl

Vor dem zweiten Wahlgang am Montag hatte die zum Unabhängigkeitslager gehörende Linkspartei Kandidatur der Volkseinheit (CUP) angekündigt, dass ihre vier Abgeordneten sich der Stimme enthalten würden. Damit war Torras Wahl gesichert.

2016 hatte die CUP den Rücktritt des damaligen Regionalpräsidenten Artur Mas herbeigeführt. Monate später war sie drauf und dran, die Regierung des Mas-Nachfolgers Puigdemont zu Fall zu bringen. Eine am Freitag veröffentlichte Meinungsumfrage bescheinigte der Linkspartei einen Popularitätszuwachs. Demnach könnte sie sich jetzt bei einer Parlamentswahl auf elf Sitze steigern.

Außer der kleinen CUP gehören dem Unabhängigkeitslager Puigdemonts Mitte-rechts-Bündnis Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien) und die linksnationalistische Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, Republikanische Linke) an.

Madrid hatte Ende Oktober die von Puigdemont geführte Regionalregierung ihres Amtes enthoben und die Region im Nordosten Spaniens unter Spaniens direkte Kontrolle gestellt, nachdem das Parlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hatte. Nach der Regierungsbildung in Katalonien müsste der von der Zentralregierung über Katalonien verhängte Ausnahmezustand aufgehoben werden.

Zahlreiche Anführer der Unabhängigkeitsbewegung sitzen im Gefängnis oder befinden sich wie Puigdemont im Exil. Madrid wirft Puigdemont und anderen "Rebellion" im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Loslösung von Spanien vor. Die spanische Gesetzgebung sieht dafür bis zu 30 Jahre Haft vor. Die deutsche Justiz muss noch über eine mögliche Auslieferung Puigdemonts an Spanien entscheiden. (APA, 14.5.2018)