Donald Trumps Ausstieg aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran, obwohl Teheran laut dem Chef aller US-Nachrichtendienste Dan Coats den Vertrag nicht gebrochen hat, fügt sich in den Rahmen der bedenkenlosen, zerstörerischen Alleingänge des irrlichternden Präsidenten ein. Seine Drohung, europäische Firmen abzustrafen, die weiterhin in den Iran exportieren, wurde nur wenige Stunden nach der Akkreditierung durch den neuen US-Botschafter Richard Grenell in Berlin in einem Tweet kurz und bündig an die deutschen Unternehmen weitergeleitet. Sie wurden aufgefordert, "ihre Geschäfte im Iran sofort herunterzufahren".

Angesichts dieses beispiellos arroganten Tons schrieb die "Süddeutsche" von einem "ungeheuerlichen Vorgang" in den Beziehungen mit einem traditionellen Verbündeten. Der Leitartikler des "Spiegel" sieht sogar "das vorläufige Ende des transatlantischen Bündnisses". Das Verhältnis zu den USA lasse sich nicht als Freundschaft bezeichnen, nicht einmal als Partnerschaft. Wenn auch andere unabhängige Beobachter, nicht nur in der wirtschaftlich am stärksten betroffenen Bundesrepublik, dafür plädieren, auch in der Vertrauenskrise einen kühlen Kopf zu bewahren, darf man trotzdem die Schockwirkung und Ratlosigkeit, sogar die kaum verhohlene Angst wegen der Abschottung der einstigen Schutzmacht nicht unterschätzen.

Kein Wunder, dass in dieser durch die immer tiefere Kluft zwischen den demokratischen Verbündeten in Europa und den Vereinigten Staaten geprägten Krise die Aufrufe des französischen Präsidenten Emmanuel Macron "für die Rettung Europas" ein besonders starkes Echo auslösen. Was kann Europa tun? Anlässlich der Auszeichnung durch den Karlspreis stellte Macron fest: "Wir stehen vor großen Bedrohungen. Wollen wir uns unterwerfen? Nehmen wir die Regeln der anderen hin, die Tyrannei der Ereignisse, oder beschließen wir, selbst zu entscheiden – für eine europäische Souveränität?" Seit er vor einem Jahr den Kampf um die Präsidentschaft gewonnen hat, spricht er sich in einer Serie von eindrucksvollen Reden für die europäische Identität, für die Demokratie, soziale Verantwortung, Toleranz und Vielfalt aus. Vor dem Hintergrund des befürchteten Bruches mit der Trump-Regierung ruft er zur Verteidigung der "europäischen Souveränität" auf, "für die Vereinigung unserer Kräfte, um gemeinsam eine europäische Macht zu errichten. Um entscheiden zu können und nicht erdulden zu müssen."

Macron begeistert immer wieder die Europäer durch seine leidenschaftlichen Bekenntnisse zur "europäischen Identität", durch seine Warnungen vor der "tödlichen Illusion des Nationalismus" und vor der "Faszination der unfreien Demokratie". Er verfügt aber einstweilen nur über die Macht des Wortes.

Die Titelgeschichte des "Time"-Magazin über den "Aufstieg der starken Männer" zeigt indessen die mächtigen Profiteure der transatlantischen Krise, ausgelöst durch Trump: ganz groß Wladimir Putin und unterhalb kleinere Fotos von drei erfolgreichen Praktikern autoritärer Machtausübung: links Recep Tayyip Erdogan, rechts Rodrigo Duterte und in der Mitte Viktor Orbán, Putins engsten Verbündeter in der gespaltenen EU. (Paul Lendvai, 14.5.2018)