Erst mit dem vierten Kandidaten der Unabhängigkeitsbefürworter glückte nach fünf Monaten die Regierungsbildung in der spanischen Problemregion Katalonien. Mit Joaquim "Quim" Torra übernimmt einer das Amt des regionalen Ministerpräsidenten, der sich selbst nur als Platzhalter sieht. "Eigentlich dürfte ich nicht hier stehen: Wer hier sein sollte, ist unser Präsident Carles Puigdemont", verkündete Torra bei seiner Antrittsrede.

Und damit ist schon die Frage beantwortet, ob nun endlich Ruhe, Ordnung und konstruktives Arbeiten in die spanische Innenpolitik einkehren werden: Nein. Denn Torra wurde vor allem deshalb in dieses Amt gewählt, weil er eine der wenigen katalanischen Führungsfiguren ist, die bisher keine Probleme mit der spanischen Justiz haben. Torra wird sogar von den eigenen Leuten halb scherzhaft, halb im Ernst "Plan D" genannt, weil er – nach dem geflohenen Puigdemont und dessen inhaftierten Vertrauten Jordi Sànchez und Jordi Turull – erst die vierte Wahl war.

Was Katalonien, Spanien und Europa aber brauchen, ist ein Plan A: eine Vision, wie ein jahrzehntelanger, oft von beiden Seiten befeuerter Konflikt wieder kalmiert und idealerweise auch gelöst werden kann. Wer sich in Katalonien umhört, erfährt bald sehr deutlich, dass es nicht nur dieses "eine" Katalonien gibt, das sich von Spanien lossagen will – sondern auch ein anderes, das seine regionale Identität zwar gewahrt sehen, seine Zukunft aber als Teil Spaniens sehen will. Diese zahlreichen Menschen, die sogar die eher stille Mehrheit bilden, scheint die Politik sowohl in Barcelona als auch in Madrid immer mehr aus den Augen zu verlieren.

Wenn Torra schon in seiner Antrittsrede klarmacht, dass die Weichen nicht neu gestellt werden sollen, und der spanische Premier Mariano Rajoy ihm von Anfang an Misstrauen signalisiert, dann wird sich die Lage auch mit diesem neuen Protagonisten an der Spitze der "Generalitat" in Barcelona nicht zum Besseren verändern.

Mit seiner Ansage unverbrüchlicher Treue zu Puigdemont könnte Torra Rajoy sogar einen Gefallen getan haben: Denn der spanische Premier steht wegen Korruptionsaffären selbst unter Druck. Außerdem haben die oppositionellen Ciudadanos seinen konservativen Partido Popular in Umfragen schon längst abgehängt. Ein prolongierter Konflikt mit der katalanischen Führung könnte Rajoy dabei helfen, von den eigenen Kalamitäten abzulenken. (Gianluca Wallisch, 14.5.2018)