Das Trojanische Pferd muss bei Protesten gegen Freihandelsabkommen regelmäßig herhalten. Ein vermeintliches Geschenk, mit dem Daseinsvorsorge, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte in der EU aber von innen ausgehöhlt werden, so die These.

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Noch ist der Vertrag nicht in trockenen Tüchern, dennoch gibt es kaum Zweifel: Die Ratifizierung des Handelsabkommens der EU mit Kanada, Ceta, wird von der Regierung demnächst angegangen. Möglicherweise erfolgt der Beschluss im Ministerrat diesen Mittwoch, die Koalitionsverhandler konnten das am Montag aber noch nicht bestätigen. Die Angelegenheit hat neben der inhaltlichen Ebene auch einen starken politischen Bezug: Beobachter warten gespannt, wie die FPÖ ihre Zustimmung begründen wird.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung dürfte am Mittwoch im Ministerrat das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada beschließen. Zuständig ist Außenministerin Kneissl – deren Büro die Zustimmung zu Ceta weder dementiert noch bestätigt.
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Ceta bringt einen massiven Abbau der Zölle auf Waren, einen besseren Zugang für Dienstleistungen, vereinfachte Zulassungen, und Ceta soll Investoren mehr Sicherheit geben. Die Kehrseite laut Kritikern: keine Handhabe gegen ungeliebte Importe und eine Stärkung der Konzerne, die gegen Staaten vorgehen wollen, wenn sie in ihre Schranken verwiesen werden. Das spezifische Austro-Politikum dabei ist der einst massive Widerstand von FPÖ-Proponenten gegen Ceta.

Schall und Rauch

Zahlreiche Granden der Freiheitlichen haben gegen den Kanada-Vertrag gewettert, viele von ihnen ein Volksbegehren gegen Freihandelsabkommen unterschrieben. Parteichef Heinz-Christian Strache verurteilte beispielsweise, "dass Konzerne Staaten verklagen können", wobei hier insbesondere die geplanten Schiedsgerichte bei Streitigkeiten ins Visier genommen wurden. Auch Verkehrsminister Norbert Hofer ließ kein gutes Haar an dem Abkommen: "Mit Ceta fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte." Im Präsidentschaftswahlkampf versprach er, Ceta im Falle seiner Wahl nur nach vorheriger Volksabstimmung zu unterzeichnen.

Die Bedenken sind kurz vor der Ratifizierung Schall und Rauch. Nach dem Beschluss im Ministerrat soll das Parlament den Vertrag im Juni durchwinken. Für Ceta-Gegner wie Herbert Thumpser ist die Vorgangsweise ein Affront: Der SPÖ-Bürgermeister von Traisen (Niederösterreich) ist einer der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Freihandelsabkommen, das 562.552 Unterschriften erhalten hat. "Drei Tage vor den Wahlen haben die Freiheitlichen Brandreden gegen Ceta gehalten, jetzt wird über die Unterstützer einfach drübergefahren."

Warten auf Volksabstimmung

Thumpser würde am liebsten ein neues Volksbegehren organisieren, doch auch hier sind ihm die Hände gebunden: Eine Regelung für eine verpflichtende Volksabstimmung gibt es nach wie vor nicht. Anlass für eine neue Initiative gäbe es, findet der Sozialdemokrat, verhandelt die EU-Kommission doch gerade neue Abkommen mit der südamerikanischen Allianz Mercosur, mit Japan oder mit Mexiko. Thumpser geht es nicht um die absolute Verhinderung eines einzelnen Abkommens, sondern um einen geordneten und transparenten Rahmen für die Ausarbeitung derartiger Verträge, wie er betont.

Derzeit wollen die Freiheitlichen den Ball bei Ceta – nicht ganz überraschend – flachhalten. Norbert Hofer beispielsweise will die Frage, ob er immer noch gegen das Abkommen ist, nicht beantworten: "Die Frage stellt sich nicht", wurde dem STANDARD ausgerichtet. Abgesehen davon sei Hofer ja nicht Präsident geworden.

Rote Linie für Schwarze

Die Gründe für den Gesinnungswandel sind ohnehin ausreichend diskutiert worden. Für die ÖVP war die Ceta-Zustimmung, auf die Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer massiv pochen, in den Koalitionsverhandlungen eine "rote Linie". Anders ausgedrückt: Die Schwarzen hätten die Regierungsbildung ohne Ja der FPÖ möglicherweise abgeblasen. Bekanntermaßen haben die Freiheitlichen auch etwas für ihre Zustimmung bekommen: Raucherlaubnis in Gasthäusern. (Andreas Schnauder, 15.5.2018)