Kurz nachdem Präsident Donald Trump den Atomdeal mit dem Iran aufgekündigt hatte, organisierte das Außenministerium in Washington eine Telefonkonferenz für Journalisten. Beamte des State Department sollten Schritt für Schritt erklären, wie es mit den Sanktionen gegen den Iran nun weitergeht.

Ein Journalist wollte wissen, ob Trumps Maßnahmen nicht "unbeabsichtigt" vor allem die US-Alliierten in Europa treffen würden. Schließlich werde es für europäische Unternehmen künftig schwieriger, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Die US-Beamten korrigierten sogleich: Nichts daran sei unbeabsichtigt – das sei genau die Idee hinter dem Ausstieg aus dem Atomprogramm. Nur so könne der Iran isoliert werden.

Eine Woche nach der umstrittenen Entscheidung Trumps, den Atomdeal aufzukündigen, sorgt die Iran-Causa für zunehmende Verwerfungen zwischen der EU und den USA. Am Dienstag wollen die EU-Außenminister in Brüssel darüber beraten, wie sie europäische Unternehmen vor den US-Sanktionen schützen können. Für Europa steht viel auf dem Spiel. Während US-Unternehmen kaum Geschäftsbeziehungen mit dem Iran unterhalten, haben sich zwischen der EU und dem Iran rege Handelsbeziehungen entwickelt: Das Handelsvolumen betrug allein im vergangenen Jahr rund 21 Milliarden Euro.

Französische Autobauer dick im Geschäft

Groß im Geschäft sind vor allem französische, aber auch einige deutsche und österreichische Unternehmen. Peugeot etwa verkauft inzwischen mehr Pkws im Iran als auf seinem französischen Heimatmarkt. Auch für Renault ist der Iran ein äußerst lukrativer Markt, das Land hat immerhin 80 Millionen Einwohner. Der europäische Luftfahrtkonzern Airbus hatte nach dem Atomabkommen 2015 Iran Air und anderen Fluggesellschaften die Lieferung von gut 100 Maschinen zugesagt.

Das Problem aus europäischer Sicht ist, dass die USA mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen solche Geschäfte wesentlich erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Das liegt an einer besonderen Facette der US-Sanktionen: Sie entfalten auch außerhalb der Vereinigten Staaten Wirkung.

Die USA verbieten ihren eigenen Firmen seit Jahrzehnten mit wenigen Ausnahmen im Lebensmittel- und Pharmaziebereich, Geschäfte mit dem Iran und mit Iranern zu machen. Daran hat auch das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 nichts geändert.

Verbote für Ausländer

Aber: Die US-Sanktionen gegen das iranische Regime sahen in der Vergangenheit eine Reihe von Verboten für ausländische Unternehmen und Banken in Bezug auf den Iran vor. Diese Verbote machen US-Strafmaßnahmen im internationalen Wirtschaftsleben so gefürchtet. Mit dem Atomdeal 2015 haben die USA diese Sanktionsandrohungen außer Kraft gesetzt.

Trumps Ausstieg aus dem Deal bedeutet nun, dass diese extraterritorialen Maßnahmen wieder in Kraft treten. Im Energie- und Finanzsektor bleiben ausländischen Unternehmen sechs Monate, um ihre Iran-Transaktionen einzustellen, ansonsten sind es gerade einmal 90 Tage. Die USA werden in dieser Zeit eine Liste mit iranischen Unternehmen und staatlichen Organisationen erstellen, mit denen auch Ausländer keine Geschäfte mehr machen dürfen. Die iranische Nationalbank etwa wird auf dieser Liste stehen, ebenso wie zahlreiche iranische Banken.

Widerstand aus Paris und London

Genau gegen diese Vorgehensweise kündigten der französische Finanzminister Bruno Le Maire und der britische Außenminister Boris Johnson Widerstand an. Doch welche Möglichkeiten hat die EU?

Mitte der 90er-Jahre gab es bereits eine transatlantische Kraftprobe mit ähnlichen Vorzeichen. Die USA hatten 1996 per Gesetz die geltenden Sanktionen gegen das kommunistische Regime auf Kuba verschärft. So erlaubte Washington Klagen gegen in Kuba tätige ausländische Unternehmen in den Vereinigten Staaten, die von beschlagnahmtem US-amerikanischem Besitz profitieren. Diese Klausel erregte den Unmut der EU, die hohe Verluste für europäische Unternehmen befürchtete.

Irans Präsident Hassan Rohani bei einer Automobilshow in Teheran. Der Iran könnte seine ausländischen Geschäftspartner verlieren.

Ebenfalls für Widerstand sorgte damals ein Gesetz, das ausländischen Unternehmen größere Investments in Irans Erdölsektor untersagte. Diese Maßnahme war eine Erweiterung der seit 1979 gegen das iranische Regime bestehenden Sanktionen.

Die EU ließ sich das aber nicht gefallen. Mit einer Verordnung wurde das Befolgen der erwähnten US-Sanktionen für widerrechtlich erklärt. US-Gerichtsentscheidungen in der Causa gegen Firmen sollten keine Wirkung entfalten. Europäischen Unternehmen, die sich an die US-Vorgaben hielten, wurden Strafen angedroht. Allen Firmen, die wegen der US-Maßnahmen Schaden erleiden sollten, wurde das Recht auf Schadenersatz zugesprochen.

Klage vor der WTO

Die EU-Kommission erhob wegen der Kuba-Regeln zudem Klage gegen die USA vor der Welthandelsorganisation (WTO). Als Reaktion gaben die USA nach: Sie erklärten europäische Unternehmen für ausgenommen von den Bestimmungen. Die WTO-Klage verlief ohne Urteil.

Die EU könnte erneut mit einer Verordnung Unternehmen schützen und erneut vor der WTO klagen. Der Fall Iran gilt heute aber als komplexer als der Fall Kuba und jener des Iran in den 1990er-Jahren. Wirtschaftlich steht für die EU mehr auf dem Spiel, und die harte Linie gegen Teheran ist ein zentraler Bestandteil der Außenpolitik Trumps.

Daher ist es fraglich, ob die USA bereit wären, wie in den 1990er-Jahren nachzugeben. Wenn die USA nicht nachgeben, wären europäische Firmen zwischen den Stühlen gefangen: Halten sie sich an die US-Sanktionen, würden ihnen Strafen in der EU drohen. Tun sie das nicht, Strafen in den USA. Daher kommt auch von Wirtschaftsvertretern Skepsis gegenüber dieser Strategie.

Auf die Größe kommt es an

Die großen, multinationalen Konzerne wie Shell oder BP sowie große europäische Banken würden auf ihre Iran-Geschäfte aus Angst vor Nachteilen in den USA nun ohnehin verzichten, sagt Bijan Khajehpour von Atieh International, einem Wiener Unternehmen, das Firmen bei Iran-Geschäften berät. Diese Unternehmen wird wenig interessieren, welchen Schutz die EU bieten kann. Ein Verlust des US-Marktes wiegt für diese Unternehmen schwerer, so Khajehpour.

Für Unternehmen im mittleren Segment, die im Iran aktiv sind und in den USA dagegen nur wenige Geschäfte machen, ist das anders, sagt Khajehpour. Diese Firmen werden sich genau ansehen, ob die EU ihnen Schutz vor US-Strafen gewährt, und auf Basis der Fakten ansehen, ob sie sich aus dem Iran zurückziehen. Für die französischen Autobauer etwa bestehe wenig Anlass, den Iran aufzugeben.

Ein weiterer wichtiger Player: China

Khajehpour hält es zudem für möglich, dass die USA den Europäern entgegenkommen, indem sie einzelne Genehmigungen für Geschäfte erteilen. Mit so einer Sondergenehmigung des Finanzministeriums in Washington könnte Airbus weiter seine Flugzeuge im Iran verkaufen.

Entscheidend aus der Sicht des Iran ist in den kommenden Wochen aber nicht nur, wie die Europäer sich verhalten, sondern auch, was andere Länder, insbesondere China und Indien, unternehmen. China war gemeinsam mit den USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und Deutschland einer der Unterzeichnerländer des Atomabkommens.

Peking hat bereits angekündigt, sich weiter an das Abkommen halten zu wollen. China ist hinter den Arabischen Emiraten etwa gleichauf mit der EU der wichtigste Handelspartner des Iran. Und: Chinesische Unternehmen, die im Iran aktiv sind, sind weniger eng mit den USA verworben, sagt Unternehmensberater Khajehpour. China könnte sich also als immun gegenüber den US-Sanktionsandrohungen erweisen. (András Szigetvari, 15.5.2018)