Die Leiche des siebenjährigen Mädchens wurde am Samstag gefunden.

Foto: APA / Hans Punz

Im Ditteshof wurde ein Gedenkort eingerichtet.

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Wien – Er hätte sich, wenn er gekonnt hätte, einen anderen Anlass für seine erste Pressekonferenz in neuer Funktion ausgesucht. Michael Lepuschitz, Vizepräsident der Landespolizei Wien, wirkte Montagvormittag sichtlich betroffen. Obwohl der Termin aus polizeilicher Sicht durchaus als Erfolg zu werten war: Drei Tage nachdem in einem Müllcontainer in Wien-Döbling die Leiche eines siebenjährigen Mädchens entdeckt worden war, konnte der mutmaßliche Täter in der Nacht von Sonntag auf Montag verhaftet werden.

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen erst 16-jährigen Nachbarn, dessen Familie vor 14 Jahren aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet war. Der Bursch hat längst die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die Bluttat an einem siebenjährigen Mädchen im Ditteshof in Wien-Döbling dürfte geklärt sein: Die Polizei hat einen erst 16-jährigen Nachbarn der Volksschülerin festgenommen, der die Tat bereits gestanden an.

300 Wohnungen befinden sich im Ditteshof, aufgeteilt auf 16 Stiegen mit etwa 520 Bewohnern – alle "ein potenzieller Tatort", sagte Oberst Gerhard Mimra. Aufgrund von Blutspuren vor der Tür sei man schließlich auf die Wohnung des Jugendlichen gestoßen. Spürhunde hatten angeschlagen.

Nachdem der 16-Jährige anfangs noch behauptet hätte, sich in der Schule geschnitten zu haben, soll er in Anwesenheit von mehreren Polizeibeamten und seinen Eltern ein Geständnis abgelegt haben. Demnach soll das Kind von sich aus zu ihm in die Wohnung gekommen sein. Der Bursch dürfte das Mädchen dann ins Badezimmer gelockt haben. "Sie hat nicht bemerkt, dass er da bereits ein Küchenmesser bei sich trug", so Oberst Gerhard Haimeder, der stellvertretende Leiter des Ermittlungsdiensts. Dann habe der 16-Jährige das Mädchen in die Duschwanne gestoßen und erstochen. Die Leiche soll er dann in Plastiksäcke gesteckt und sie zum Müllraum im Gemeindebau gebracht haben. Auch in der Wohnung wurden trotz einer oberflächlichen Reinigung Blutspuren sichergestellt.

Kein Mitleid

Der junge Gymnasiast war zuvor nicht polizeilich bekannt, er sei ein guter Schüler gewesen, hieß es. Als Motiv soll er eine "allgemeine Wut" angegeben haben, die er nicht näher habe erklären können. Das Mädchen sei "zur falschen Zeit am falschen Ort" gewesen. Mitleid habe er mit der Mutter, nicht aber mit dem Opfer.

Die Linzer Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Heidi Kastner geht im STANDARD-Gespräch davon aus, dass sich in dem mutmaßlichen Täter "sehr lang sehr viel aufgestaut haben muss". Es sei bei solchen Fällen "nicht ungewöhnlich", dass das Umfeld vorher nichts bemerkt. Kastner: "Solche Taten passieren leider immer wieder. Das Motiv liegt allein beim Täter. Es kann Wut, Kränkung oder eben eine psychiatrische Erkrankung sein. Ein Vulkan bricht auch nicht plötzlich aus – da staut sich vorher viel an."

Leiche im Plastiksack

Gerade bei psychotischen Tätern gebe es oft sogenannte Zufallsopfer. Kastner: "Es sind Taten ohne längere Vorgeschichte. Es gibt ein reines Täterbedürfnis, da gibt es keine Auseinandersetzung, keinen Streit. Und letztlich ist es auch genau das, was uns so schockiert. Jeder sagt dann, 'der war doch immer so nett' und 'der hat doch immer so freundlich gegrüßt'." Die Brutalität der Tat zeuge von einem "hohen Maß an Aggression". Kastner: "Immer dann, wenn der Täter mehr tut, als er tun muss, um sein Opfer zu töten, entleert sich eine ungemein große Wut."

Die siebenjährige Volksschülerin war am Nachmittag des 11. Mai aus dem Hof des Döblinger Gemeindebaus verschwunden. Die polizeiliche Suche startete noch an diesem Tag. Am 12. Mai wurden die Mitarbeiter der MA 48, die für die Müllentsorgung zuständig sind, von der Polizei auf besondere Vorsicht beim Entleeren der Tonnen hingewiesen. Tatsächlich fanden die Mitarbeiter die Leiche der Siebenjährigen, verpackt in einen Plastiksack.

Familie will wegziehen

Laut Opferanwalt der betroffenen Familie und laut Polizei sind keine Streitigkeiten zwischen den benachbarten Familien, auch nicht unter deren Kindern, bekannt. Man pflegte ein nachbarschaftliches Verhältnis. Auch der Täter und das Opfer kannten sich. Mitglieder der tschetschenischen Community, die sich während der Ermittlungen im Hof aufhielten, hätten in "keiner Weise" die polizeiliche Arbeit behindert, wurde betont. Ob davon auszugehen sei, dass die Familie des Täters nun in Gefahr sei, könne man nicht sagen. Sie wohne jedenfalls nicht mehr an der Adresse.

Auch die Familie des Opfers wünscht sich, nicht mehr in der Wohnung im Ditteshof untergebracht zu sein, sagt Opferanwalt Nikolaus Rast. Sie wollen nicht täglich an das Verbrechen erinnert werden. Wiener Wohnen bestätigt, dass eine Lösung bereits in Arbeit ist. "Auch uns ist wichtig, dass die Familie schnellstmöglich vom Ort des Geschehens wegkommt", sagt eine Sprecherin gegenüber dem STANDARD. (Markus Rohrhofer, Vanessa Gaigg, 15.5.2018)