Bild nicht mehr verfügbar.

Finspy soll gegen Teilnehmer des "Marsches für Gerechtigkeit" eingesetzt worden sein.

Foto: Reuters

Die deutsche Bundesregierung setzt beim "Staatstrojaner" auf heimische Entwickler. Nachdem man selbst daran scheiterte, eine entsprechende Software zu entwickeln, soll die Wahl auf "Finspy" der Münchner Entwickler von Finfisher gefallen sein. Über diesen soll etwa das Bundeskriminalamt verfügen. Die Software steht seit Jahren in der Kritik durch Datenschützer.

Der mächtige Trojaner ist allerdings auch wo anders aufgetaucht – nämlich in der Türkei. Dort soll er zur Überwachung von Oppositionellen genutzt worden sein, berichtet nun die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen Bericht der Bürgerrechtsorganisation Access Now.

Teilnehmer vom "Marsch für Gerechtigkeit" überwacht

Bei der in der Türkei entdeckten Variante dürfte es sich um eine neue Version der Malware handeln. Sie sei in der Lage, auf Smartphones live mitzuhören und mitzulesen, erklärt Thorsten Holz von der Ruhr-Universität Bochum, der den Trojaner analysiert hat.

Konkret zum Einsatz gekommen sein soll das Überwachungstool beim "Marsch für die Gerechtigkeit" im vergangenen Sommer. Kemal Kiricdaroglu, Chef der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, marschierte mit vielen tausend Sympathisanten in drei Wochen quer durch die Türkei nach Istanbul, um gegen die Masseninhaftierungen und andere Maßnahmen der Erdogan-Regierung nach dem Putschversuch 2016 zu protestieren.

Für die Verbreitung von Finspy wurde der Hashtag der Aktion gekapert. Über Twitter-Fakeaccounts verbreitete man den Link zu einer Webseite, auf der sich der aktuelle Stand des Marsches nachsehen lassen sollte. Dort wiederum wurde eine Android-App zu diesem Zweck angeboten, die allerdings den Finspy-Trojaner enthielt.

Auftraggeber unbekannt

Unklar ist, wie der Trojaner in die Türkei gelangt ist und wer die Überwachungsaktion gegen die Teilnehmer des Marsches initiiert hat. Auf Anfragen reagierten weder Finfisher, noch die türkische Regierung.

Das deutsche Wirtschaftsministerium erklärte lediglich, schon seit Jahren keine Exportlizenzen mehr für derartige Software zu vergeben. Finfisher selbst handelt nach eigenen Angaben nur mit "Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten" zusammen. (red, 17.05.2018)