Die Tasche des britischen Labels The Strathberry brauchte genau elf Minuten, der helle Mantel mit dem Wasserfallkragen weniger als eine Stunde: ausverkauft! Was die 36-jährige Meghan Markle an ihrem Körper trägt, ist heiß, ganz heiß. Die Boulevardmedien filetieren die Outfits der US-Amerikanerin mit einer Hingabe, wie sie bisher nur Kate und Diana zuteil wurde.

Schuld an dieser Obsession ist irgendwie natürlich Harry, der wilde Spross der Royals. Seit die vergleichsweise unbedeutende Nummer sechs der britischen Thronfolge Beziehung und Hochzeit mit der US-Schauspielerin öffentlich gemacht hat, ist sie die Frau neben dem Querkopf aus der zweiten Reihe. Aber nicht nur. Meghan Markle, dunkle Haare, Stupsnase, Zahnpastalächeln, ist neben Kate und dem süßen Nachwuchs (George, Charlotte, Louis) die nächste Influencerin am Hofe. Wenn Lady Di erleben könnte, wie handsome sie den Rotschopf mit dem Hipster-Bart erscheinen lässt!

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Meghan Markle mit der Handtasche des britischen Labels The Strathberry am 1. Dezember 2017 bei ihrem ersten offiziellen Auftritt als Verlobte von Prinz Harry in Nottingham.
Foto: ap/augstein

Denn was sich die ehemalige Schauspielerin Markle, bekannt geworden mit der kanadischen Serie "Suits", überwirft, wird überall auf der Welt nachgekauft – komme, was wolle. Wenn Meghan mit Harry in London öffentlich Hände schüttelt und über Kinderköpfe streicht, sind Fanseiten wie "Meghan's Mirror" und "Mad about Meghan" sowie der bildergeile Boulevard voll von modischen Detailanalysen, in den Onlineshops schnellen die Zugriffszahlen in die Höhe.

Der Meghan-Effekt

Die Hochzeit von Harry und Meghan werde rund 500 Millionen Pfund in die britischen Kassen spülen, schätzte die Beratungsagentur Brand, rund 150 Millionen Pfund könne allein Meghan Markle der britischen Modeindustrie jährlich verschaffen, ein Segen in unsicheren Brexit-Zeiten. Erste entscheidende Frage auf der Insel ist, in welchem Brautkleid Markle ihr Jawort hauchen wird: Wird es der kanadische, in Großbritannien lebende Designer Erdem Moralioglu, das britische Couture-Haus Ralph & Russo oder gar Burberry? Die Hysterie um die amerikanische Schauspielerin mit dem locker eingedrehten Dutt trägt bereits einen Namen: Auf den "Kate-" folgt nun der "Meghan-Effekt". Und der hat es in sich.

Was hat sie heute an? Meist stehen die Outfits von Meghan Markle (in Altuzarra neben Harry) im Blickpunkt.
Foto: AFP / Photo Pool / Yui Mok

Vorbildwirkung

Dass Markles Outfits sich auf den ersten Blick gar nicht so sehr von jenen ihrer Schwägerin unterscheiden, schadet ihrer Vorbildwirkung nicht, im Gegenteil. Auf eine Mischung aus High Fashion und erschwinglichen Stücken zu setzen ist clever. Mit der 36-jährigen Amerikanerin können sich Frauen von Toronto bis Edinburgh identifizieren.

Bestes Beispiel: Markles legerer erster öffentlicher Auftritt als Freundin von Harry während der Invictus Games in Toronto. Sie trug an jenem goldenen Oktobertag ein Outfit, wie es jede gute BWL-Studentin im Kasten hängen hat: eine ums Knie herum zerfetzte Skinny, ein weißes Hemd und einen cognacbraunen Ledershopper über der Schulter. Obwohl Markles Outfit genauso beiläufig wie Harrys Poloshirt-Chinos-Kombination daherkam, nahmen die Boulevardblätter natürlich (so viel Sexismus muss sein!) ausschließlich Meghan Markles Auftritt auseinander. Hemd von Misha Nonoo, Ballerinas von Sarah Flint, Skinny Jeans von Mother Denim, Tasche von Everlane Market, Sonnenbrille von Finlay & Co.

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Meghan und Harry bei den Invictus Games in Toronto im September 2017.
Foto: Reuters/Blinch

Den Berechnungen nach trug Meghan Markle ein rund 800 Euro teures, gar nicht abgehobenes Outfit. Die zerrissenen Jeans des kalifornischen Labels Mother waren drei Tage später ausverkauft, für die Lederhandtasche haben sich laut Firmengründer Michael Preysman beim amerikanischen Onlinehändler Everlane 20.000 Menschen auf die Warteliste setzen lassen. Markles Einfluss sei nur mit dem einer Angelina Jolie zu vergleichen, frohlockte Preysman gegenüber der New York Times.

Auch Kate (in Alexander McQueen neben William) steht im Mittelpunkt des medialen Interesses. Gleich danach kommen Charlotte, George und neuerdings auch Baby Louis.
Foto: APA / AFP / PAP / Bartolomiej Zborowski

Um für Ausverkäufe zu sorgen, braucht die neoroyale Influencerin nicht einmal einen eigenen Social-Media-Kanal. Mit der Verkündung des Hochzeitstermins hat die 36-Jährige im Jänner der Familie zuliebe ihren Instagram- (immerhin 1,9 Millionen Follower), Facebook- (rund 800.000 Likes) und Twitter-Account (350.000 Follower) abgemeldet. Eine Überraschung war das nicht. Schon im letzten Jahr hat sich die Amerikanerin von ihrem Lifestyle-Blog The Tig (eine Abkürzung für den Toskana-Tropfen Tignanello) verabschiedet. Ungesteuerte Social-Media-Aktivitäten von Harry, William, Kate und Meghan wären der schmallippigen Welt der Royals ein Graus.

Mit Botschaft

Jedes Kleidungsstück, vom Business-Kleid von Altuzarra bis zu den Riemchenschuhen von Tamara Mellon (siehe Bild 2), das die Kanadierin Jessica Mulroney, Meghan Markles langjährige persönliche Stylistin, auswählt, ist jetzt Bestandteil der höfischen Inszenierung und wird als (politische) Botschaft gelesen. Markles Charisma wird aber nicht nur der Modeindustrie (sie trägt häufig kanadische Modeunternehmen, hier startete Markle mit der Serie "Suits" durch), sondern auch dem Königshaus zugutekommen. Vanessa Friedman, Modekritikerin der New York Times, prognostiziert, dass Meghan Markle bald ihre Schwägerin Kate als Influencerin in den Schatten stellen wird.

Denn Markle komplettiert die Runde um William, Kate und Harry nicht nur um eine weitere bürgerliche Aufstiegsgeschichte, sondern auch um eine neue Perspektive: Sie wuchs bei ihrer alleinerziehenden schwarzen Mutter in Los Angeles auf, Markle versteht sich als Feministin. So funktioniert diese junge Generation an Royals als erweiterte Projektionsfläche für die Träumereien kosmopolitischer Mittdreißiger überall auf der Welt. Sie erscheinen, Social Media sei Dank, greifbarer denn je: Es braucht nicht mehr als eine funktionierende Kreditkarte, um am royalen Leben teilzuhaben.

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Baby Louis im cremeweißen Strickmehrteiler.
Foto: ap/duchess of cambridge

Und das beginnt bereits im Kleinen. Da wäre das erste offizielle Porträt des kleinen noch leicht verschrumpelten Louis. Es zeigte das zwei Wochen alte Baby in einem cremeweißen Strickmehrteiler des spanischen Kinderlabels Irulea, vor drei Jahren angeschafft für den ersten Auftritt von Prinzessin Charlotte.

Welch ein Segen, dass sich das genderneutrale Baby-Outfit für 254 Dollar nachkaufen lässt. Gleichzeitig transportieren die Royals mit dem Auftragen des Outfits eine unbezahlbare Geste. Wir sind volksnäher als die neureichen Kardashians (heute Dior, morgen Gucci)! Wetten, dass das erste Baby von Harry und Meghan alles noch besser machen wird? (Anne Feldkamp, RONDO, 18.5.2018)