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Rein architektonisch ist die gut drei Milliarden Euro teure Querung der Meerenge von Kertsch ein grandioses Projekt: Die längste Brücke Europas wurde innerhalb von drei Jahren gebaut und soll eine Durchlasskapazität von rund 40.000 Pkw und knapp 150 Zügen pro Tag haben.

Foto: AP/Alexander Nemenov

"Fahren wir los", sagt er und streckt einladend die Arme zur Seite aus. Am Dienstag hat Russlands Präsident Wladimir Putin offiziell die umstrittene Brücke vom russischen Festland zur Krim eröffnet. Das russische Staatsfernsehen übertrug live, wie der Kremlchef erst den verantwortlichen Managern und Bauarbeitern dankte und dann am Steuer eines orangen Kamaz-Lasters eine Lkw-Kolonne über die 19 Kilometer lange Brücke führte.

In seiner anschließenden Rede sprach Putin von einem "historischen Tag". "In verschiedenen historischen Epochen, noch unter Väterchen Zar, haben die Menschen davon geträumt, diese Brücke zu bauen, später kehrte man in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts, in den 40er- und 50er-Jahren zu der Idee zurück, und nun endlich, dank eurer Arbeit, eurem Talent, ist dieses Projekt, dieses Wunder fertig", sagte Putin vor rund 1000 Bauarbeitern auf der annektierten Halbinsel Krim.

Drei-Milliarden-Euro-Projekt

Rein architektonisch ist die gut drei Milliarden Euro teure Querung der Meerenge von Kertsch tatsächlich ein grandioses Projekt: Die längste Brücke Europas wurde innerhalb von drei Jahren gebaut und soll eine Durchlasskapazität von rund 40.000 Pkws und knapp 150 Zügen pro Tag haben.

Putin lobte insbesondere die vorzeitige Fertigstellung, doch trotz der pompösen offiziellen Eröffnung ist die Brücke erst teilweise einsatzbereit. Am Mittwoch dürfen die ersten Pkws die Landverbindung nutzen. Lkws bekommen hingegen trotz der einen anderen Eindruck erweckenden TV-Bilder von der Eröffnung erst ab Jahresende einen Durchlassschein. Und die Eisenbahnbrücke soll sogar erst 2019 fertiggestellt werden.

Spätestens dann hofft Russland die Isolierung der Krim zu überwinden. Von der Brücke und der damit einhergehenden besseren Erreichbarkeit sollen insbesondere der Tourismus, der Schiffbau, die Chemieindustrie und die Landwirtschaft profitieren, so die Berechnungen bei Projektbeginn.

Derzeit liegt der Lebensstandard auf der 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel deutlich unter dem russischen Mittelwert. Die Durchschnittslöhne belaufen sich auf 26.000 Rubel, das entspricht 350 Euro. Das ist zwar höher als zu ukrainischen Zeiten, doch zugleich sind auch die Preise drastisch gestiegen. Selbst Befürworter der russischen Annexion konstatieren zudem die hohe Korruption als anhaltendes Problem für die Krim. Auch die Brücke durfte übrigens mit Arkadi Rotenberg ein enger Vertrauter Putins bauen.

Während die Krim mit der Brücke enger an Russland rückt, bleibt die außenpolitische Isolierung des Landes bestehen: Die Zugehörigkeit der Krim zu Russland haben bisher nur Armenien, Bolivien, Nicaragua, Nordkorea und Syrien offiziell anerkannt. Die Ukraine beharrt auf der Rückgabe der Halbinsel. Präsident Petro Poroschenko lästerte zur Brückeneinweihung, "die russischen Okkupanten werden die Brücke noch brauchen, wenn sie schnell unsere Krim verlassen müssen".

Spannungsfaktor

In den Beziehungen zum Westen bleibt die Krim ebenfalls ein Spannungsfaktor. Speziell für die weitere Entwicklung der Krim sind die Sanktionen ein großes Problem: Internationalen Konzernen sind Geschäfte auf der Halbinsel untersagt. Dass der Anschluss der Halbinsel Russland juristische Probleme bereitet, machte zuletzt ein Urteil des Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag deutlich. Dieser verurteilte Russland wegen der Verletzung ukrainischer Investorenrechte zu einer Schadenersatzzahlung von 159 Millionen Dollar. Moskau hat das Urteil nicht anerkannt. (André Ballin, 15.5.2018)