Graz – Jost Bernasch hat ein recht anschauliches Beispiel an der Hand: Was jetzt an Innovationen im Autosektor in die Gänge komme, sei durchaus zu vergleichen mit der Entwicklung "von der Pferdekutsche zum Automobil".

Der CEO des in Graz ansässigen internationalen F&E-Zentrums für die Automobil- und Bahnindustrie Virtual Vehicle, das am Dienstag ein Symposion in der Grazer Seifenfabrik zum Thema "Autonomes Fahrzeug" abhielt, spricht von einer "revolutionären Stimmung" in der Autobranche.

Alles werde auf den Kopf gestellt und der Zukunft des autonomen Fahrens gewidmet. Nicht die Autohardware stehe mehr im Zentrum der Autowertschöpfung, sondern die Software, die Informationstechnologien, Hochleistungsrechner und Steuergeräte. Allein im neuen Testwagen von Virtual Vehicle sind rund 80 Steuerungsgeräte installiert.

In Zukunft, in durchaus absehbarer, werde das Auto in erster Linie über das Mobilitätsservice interessant werden, sagt Bernasch. Ähnlich wie bei Handys, die erst über die speziellen Serviceleistungen (etwa Apps) attraktiv werden. Und alles werde über die Marken, wie bei den Smartphones, laufen.

Eine Frage der Psychologie

In spätesten zehn Jahren werden nach Bernaschs Prognose Autos der Levelstufen 3 und 4 unterwegs sein. Level 3 bedeutet, dass, anders als beim Level 2 (automatisiertes Einparken), der Fahrer den Pkw nicht mehr permanent überwachen muss. Das Auto vollzieht bereits eigenständig Überholmanöver auf der Autobahn. Bei Level 4 übernimmt der Autopilot schon dauerhaft die Führung des Fahrzeugs, der Pkw ist allerdings noch mit einem Lenkrad für Eingriffe bei komplexen Situationen ausgestattet. Level 5 beschreibt das völlig automatisierte "Robo-Auto".

Wie Autolenker mit den sich vom menschlichen Direkteinfluss "emanzipierenden" Autos umgehen, wie sie sich darauf einstellen können, darum kümmern sich auch Psychologen im Virtual Vehicle. "Der Faktor Mensch ist natürlich extrem wichtig, ein Hauptthema", sagt Bernasch.

Chancen für Start-ups

Der jetzige Umbruch in der Autowelt biete große Chancen auch für kleine Start-ups, sagt der Virtual-Vehicle-CEO. Autokonzerne könnten es sich nicht leisten, jetzt voll auf die neuen Technologieentwicklungen umzuschwenken, auf Crashkurs zu gehen. Das Risiko sei noch zu groß, wie an der Performance von Tesla zu sehen ist.

In der Entwicklung der autonomen Autos bewegten sich europäische Unternehmen und Forschungszentren wie das Virtual Vehicle durchaus bereits auf Augenhöhe mit den amerikanischen Konzernen, sagt Bernasch.

Virtuell Vehicle ist das größte COMET(Compentence Centers for Excellent Technologies)-finanzierte Forschungszentrum Österreichs. Co-Finanzierungen laufen über Fundraisingprojekte und Auftragsforschungen.

Das Zentrum ist mit mehr als 80 internationalen Industriepartnern, Software-Anbietern und 40 internationalen wissenschaftlichen Institutionen vernetzt sowie in 30 EU-Projekten involviert. (Walter Müller, 17.5.2018)