Bochum – Internationale Wissenschafter haben eine paradox klingende Entdeckung gemacht: Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger vernetzt sind die Nervenzellen in seiner Großhirnrinde. Die Forscher um Erhan Genç und Christoph Fraenz von der Ruhr-Universität Bochum gelangten gemeinsam mit Kollegen aus Berlin und den USA zu dieser Erkenntnis, nachdem sie Probanden mit einer besonderen Form der Magnetresonanztomografie (MRT), die Einblicke in die mikrostrukturelle Verschaltung des Gehirns erlaubt, untersucht hatten.

Die Wissenschafter untersuchten die Gehirne von 259 Männern und Frauen mittels Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging. Mit dieser Methode konnten sie in der Großhirnrinde die Menge an Zellfortsätzen, sogenannten Dendriten, messen, mit denen eine Nervenzelle Kontakt zu anderen Nervenzellen aufnimmt. Alle Testteilnehmer absolvierten außerdem einen Intelligenztest. Dann setzten die Forscher die Daten in Beziehung zueinander und stellten fest: Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Dendriten besitzt er in der Großhirnrinde.

Zweiter Datensatz bestätigt Befund

Anhand eines unabhängigen öffentlich zugänglichen Datensatzes, der im Human-Connectome-Projekt erhoben worden war, bestätigte das Team das nun im Fachjournal "Nature Communications" präsentierte Ergebnis. Der Zusammenhang zwischen Dendritenmenge und Intelligenz trat auch in dieser Stichprobe auf, die rund 500 Leute umfasste.

Mit den neuen Erkenntnissen lassen sich zuvor widersprüchliche Ergebnisse aus der Intelligenzforschung erklären. Diese hatten zum einen ergeben, dass intelligentere Menschen tendenziell größere Gehirne besitzen. "Man ging davon aus, dass größere Gehirne mehr Nervenzellen enthalten und somit eine höhere Rechenleistung erzielen könnten", sagt Genç.

Effiziente Vernetzung

Andere Studien ergaben allerdings, dass intelligentere Menschen, trotz ihrer vergleichsweise hohen Anzahl an Nervenzellen, weniger neuronale Aktivität beim Bearbeiten eines Intelligenztests zeigen als die Gehirne von weniger intelligenten Menschen. "Intelligente Gehirne zeichnen sich durch eine schlanke, aber effiziente Vernetzung ihrer Neurone aus", resümiert Genç. "Dadurch gelingt es, eine hohe Denkleistung bei möglichst geringer neuronaler Aktivität zu erzielen." (red, 16.5.2018)