Stani Tschertschessow bereitet Russland auf die schwere Bürde des WM-Gastgebers vor.

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STANDARD: Russland hat Milliarden in die Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft gesteckt. Sie trainieren dennoch im österreichischen Stubaital. Warum?

Tschertschessow: Es gibt dort alle Möglichkeiten, sich gut vorzubereiten. Die Höhenlage, die Infrastruktur, Hotel, Regeneration und Fußballfeld, alles passt. Wir kommen leicht hin, sind trotzdem etwas abseits und damit ungestört.

STANDARD: Wie lange sind Sie dort?

Tschertschessow: Am 20. Mai kommen wir an, am 31. fliegen wir. Am 30. haben wir noch ein Testspiel im Tivoli gegen Österreich.

STANDARD: Wie ist es für Sie, in Österreich zu sein?

Tschertschessow: Ich fliege nach Hause ins Trainingslager. Ich kenne dort alles, habe selbst dort gespielt, meine Tochter hat da die Universität beendet. Ich kenne in Tirol alles, weil ich auch schon mit anderen Teams dort trainiert habe, weiß also, wie gut dort alles organisiert ist. Auch vor dem Confed Cup waren wir im Stubaital und haben uns wohlgefühlt.

STANDARD: Das Trainingslager im Ausland liegt also nicht an Mängeln bei der Infrastruktur in Russland?

Tschertschessow: Nein. Unsere Stadien und Trainingsplätze sind fertig. In der Hinsicht ist Russland allen meilenweit voraus. Selbst der Fifa-Generalsekretär Gianni Infantino hat gesagt, dass er so eine problemlose Vorbereitung noch nie gesehen hat. Alle Leute sind involviert, alles – Stadien, Hotels und Flughäfen – ist fertig und attestiert. Die Fifa hatte also keine Kopfschmerzen.

STANDARD: Was soll denn das Erbe der Weltmeisterschaft sein?

Tschertschessow: Nun, die Infrastruktur bleibt erhalten und kann genutzt werden. Was wir daraus machen, hängt auch vom Ergebnis bei der WM und der Euphorie, die wir entfachen können, ab. Aber wir sehen, die Begeisterung ist da. Spiele, selbst in der zweiten Liga, sind bisher ausverkauft, weil ein Stadionbesuch eben nicht nur mehr Fußball ist, sondern ein echter Familienausflug.

STANDARD: Was wäre denn ein Erfolg bei der WM für Sie?

Tschertschessow: Es gibt da eine emotionale und eine Ergebnisseite. Emotional wollen wir, dass die Leute Freude an unserem Fußball haben. Aus sportlicher Sicht wollen wir gut auftreten. Erste Etappe dazu ist – wie bei allen Teams – das Überstehen der Gruppenphase. Danach sehen wir, wie es weitergeht.

STANDARD: Ziel ist es also, aus der Gruppe aufzusteigen?

Tschertschessow: Das ist bei allen Teams so. Keine Mannschaft kann sich gleich das Finale vornehmen. Klar sind wir nicht die Favoriten. Objektiv gibt es Teams, die stärker sind. Aber das spielt für uns in dem Moment keine Rolle. Wir müssen wettbewerbsfähig sein.

STANDARD: Sie spielen mit Ägypten in einer Gruppe. Wie wollen Sie gegen Liverpools Superstar Mohamed Salah verteidigen lassen?

Tschertschessow: Mit der Kalaschnikow. Nein, im Ernst: Wir haben in der Vorbereitung gegen Argentinien und Messi gespielt und auch super verteidigt. Die Argentinier haben kurz vor Ende ein Tor aus Abseitsposition geschossen. Wenn wir genauso aufmerksam bei der WM verteidigen, mache ich mir keine Sorgen um Salah. (Andre Ballin, 16.5.2018)

Zur Person:

Stanislaw Tschertschessow (54) ist seit 2016 Trainer der Russen. Als Goalie spielte er 1996 bis 2002 beim FC Tirol, 2004 bis 2006 war der Mann aus Alagir Trainer in Innsbruck