Wie umgehen mit dem Wolf? Die EU-Kommission plädiert dafür, das Tier nicht zum Abschuss freizugeben. Mehr Freiheiten für die Regionen forderte unterdessen der Österreicher Gregor Grill von der Landwirtschaftskammer Salzburg.

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Brüssel – Die EU-Kommission will die stark wachsende Population der Wölfe trotz der steigenden Attacken auf Schafherden und andere Nutztiere nicht zum Abschuss freigeben. Eine Änderung des besonderen Schutzstatus für Wölfe sei nicht geplant, erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella Dienstagnachmittag bei einer Veranstaltung im Europäischen Parlament in Brüssel.

In Österreich Salzburg, Tirol und Teile Oberösterreichs betroffen

"Es geht um die Wahrung des Naturerbes. Wir brauchen die Koexistenz von Mensch und Wolf", erklärte Vella. Nutztierzüchter aus ganz Europa klagten in Brüssel über zunehmende Verluste in ihren Herden und forderten mehr Handhabe gegen die Großraubtiere – bis hin zum Abschuss. "Die Koexistenz funktioniert nicht", meinte etwa einer der Schafzüchter. Frankreich, Spanien, Italien und auch Österreich meldeten in den vergangenen Monaten einen Anstieg von Tierrissen durch Wölfe. In Österreich waren vor allem Salzburg, Tirol und Teile Oberösterreichs mit Wölfen konfrontiert.

Der Wolf wurde in Mittel- und Westeuropa Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet, im Osten und Süden des Kontinents überlebten die Tiere. In den vergangenen 20 Jahren kehrten die Wölfe wieder in die früher von ihnen besiedelten Gegenden Europas zurück. In Österreich gibt es seit einigen Jahren einzelne Wolfssichtungen. Insgesamt dürften in Europa zwischen 10.000 und 20.000 Wölfe leben, genaue Zahlen gibt es nicht. Wölfe sind international streng geschützt. Die entsprechenden Regelungen finden sich völkerrechtlich in der Berner Konvention und EU-rechtlich in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Wölfe dürfen nur in Ausnahmefällen abgeschossen werden, etwa wenn besonders aggressive Einzeltiere dem Menschen zu nahe kommen.

Daran soll sich laut EU-Kommission grundsätzlich auch nichts ändern. Umweltkommissar Vella warnte vor einer "Schwarz-Weiß-Debatte" und empfahl Mitgliedsländern und Tierhaltern effizientere Schutzmaßnahmen: Elektrozäune, modernes Weidenmanagement, Schulungen für Landwirte und, wenn alles nichts hilft, finanzielle Kompensation beim Verlust von Nutztieren. Die Kommission sei auch bereit, solche Maßnahmen zu unterstützen, verwies Vella auf entsprechende Fördermittel in diversen EU-Töpfen. Zugleich nahm er die Mitgliedsstaaten in die Pflicht. Diese müssten für entsprechende Maßnahmen auf regionaler Ebene sorgen. "Warum erwartet alle Welt, dass die Lösung aus Brüssel serviert wird?", so Vella.

Ausnahmen für das "Wolf-Transitland" Österreich

Mehr Freiheiten für die Regionen forderte unterdessen der Österreicher Gregor Grill von der Landwirtschaftskammer Salzburg. "Ich halte den strengen Schutzstatus in dieser Form nicht mehr für angebracht. Mit 20.000 Wölfen würde ich den Wolf in Europa nicht als gefährdet einstufen", sagte Grill und berichtete vor EU-Parlamentariern aus der österreichischen Praxis. Nahezu jede Nacht sei zuletzt Weidevieh im Salzburger Pongau von einem Wolf gerissen worden. "Wir sind ein Wolf-Transitland." Der Großteil der Weideflächen befinde sich im alpinen Raum und auf Almen, und es gebe einen krassen Mangel an Hirten und ausgebildeten Hirtenhunden. Zwei Drittel der Weidehalter seien Nebenerwerbsbauern, für umfassendere Herdenschutzmaßnahmen fehlten einfach die Kapazitäten, so Grill. Viele der Landwirte würden deshalb einfach aussteigen.

Mehr regionalen Spielraum bei der Abwehr von Wölfen forderte auch der Südtiroler EVP-Parlamentarier Herbert Dorfmann. "Für absoluten Schutz gibt es keine Notwendigkeit. Die EU-Kommission kennt die reale Welt nicht", kritisierte Dorfmann im Gespräch mit der APA die EU-Kommission. In Regionen wie Südtirol, Tirol oder Salzburg seien Herdenschutzmaßnahmen auf alpinen Weiden nicht überall machbar. Elektrozäune würden etwa touristische Freizeitaktivitäten einschränken. "Dort, wo Herdenschutz nicht möglich ist, soll regional der Abschuss möglich sein", forderte Dorfmann deshalb.

Eigenes Wolfskonzept in Niedersachsen

Stefan Wenzel, früherer Umweltminister von Niedersachsen, hält indes wenig vom Abschuss. Das deutsche Bundesland hat in den vergangenen Jahren ein eigenes Wolfskonzept entwickelt und umgesetzt. Ergebnis: Gutes Herdenmanagement und guter Herdenschutz helfen. Mit Elektrozäunen, Herdenschutzhunden und der Vermeidung von Futterkonditionierung auf Menschennähe sowie Förderungen und Ausgleichszahlungen bei Schäden habe man in Niedersachsen gute Erfolge erzielt. (APA, 16.5.2018)