Der Wolf streift durch den Pinzgau und den Pongau. Schafe, Lämmer und Ziegen stehen auf seiner Speisekarte.

Foto: Heribert Corn

Salzburg/Linz/Brüssel – Der Wolf ist wieder umtriebig in Salzburg. Seit Anfang Mai wurden zehn Wolfsverdachtsfälle beim Land gemeldet. 20 Schafe, Lämmer, Ziegen und Widder wurden dabei gerissen, weitere 18 Weidetiere sind abgängig oder verletzt. DNA-Proben aus den Bisswunden sollen klären, ob es sich tatsächlich um Wolfsattacken handelt.

"Es scheint, dass wir ein veritables Problem haben", sagt Jagd- und Landwirtschaftsreferent Josef Schwaiger (ÖVP). Er plädiert dafür, den Schutzstatus des Wolfes herabzusetzen, sodass ein Abschuss möglich wird, sobald ein großer Schaden bei Nutztieren entsteht. "Wenn ein Wolf wie zuletzt in Siedlungs- und Gehöftnähe ist und Zäune überspringt, ist das ein Anlass, einen Antrag auf Entnahme zu stellen", sagt Schwaiger im Gespräch mit dem Standard. In den vergangenen 18 Tagen sei fast kein Wild entnommen wurden, "sondern sie haben sich über die volle Speisekarte in Hofnähe hergemacht", betont der Agrarlandesrat. Schwaiger geht von zumindest zwei Tieren im Pongau und im Pinzgau aus, aufgrund der großen Entfernung zwischen den Fällen.

Für die scheidende grüne Umweltlandesrätin Astrid Rössler ist ein Abschuss kein Thema. Rechtlich sei die Lage eindeutig: Der Wolf habe Schutzstatus in ganz Europa. Mit Herdenschutzmanagement sei man durchaus in der Lage, die Bauern so zu unterstützen, dass es zu wenigen bis gar keinen Wolfsrissen komme. In der Schweiz und Italien, wo sehr viele Wölfe unterwegs seien, würden sich elektrische Schutzzäune und Hirtenhunde bewähren, heißt es aus Rösslers Büro.

"Sehen, schießen, schaufeln, schweigen"

Dem widerspricht Schwaiger. Mehr als 70 Prozent der Weidetierhalter seien Nebenerwerbsbauern, für umfassende Schutzmaßnahmen fehle die Kapazität. Die Kleinstrukturiertheit der Almwirtschaft in Salzburg lasse es nicht überall zu, Schutzzäune aufzustellen. "Wir können nicht 1800 Kasteln machen auf den Almen", sagt Schwaiger. Das würde auch den Tourismus beeinträchtigen und das Gesicht der Almlandschaft langfristig verändern. "Das ist ein massiver Eingriff in ein Ökosystem und die Fauna."

Vor der Salzburger Landtagswahl sorgte auch Landeshauptmann Wilfried Hauslauer (ÖVP) bei einer Diskussion in Zell am See mit einer Anekdote für Aufmerksamkeit. Ein Pinzgauer Bauer habe ihm von der "4-S-Lösung" für den Wolf erzählt, "sehen, schießen, schaufeln, schweigen". Die Salzburger ÖVP will dem Isegrim an den Pelz.

Die EU lehnte es aber am Dienstagabend erneut ab, den Schutzstatus des Wolfes aufzuweichen. Die Kommission wird den Wolf trotz der steigenden Zahl der Attacken auf Schafherden nicht zum Abschuss freigeben. "Es geht um die Wahrung des Naturerbes. Wir brauchen die Koexistenz von Mensch und Wolf", erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella. Der WWF begrüßte diese Haltung und fordert einen Wolfsgipfel. Man müsse nicht gleich nach der Büchse rufen, wenn an Vorsorgelösungen gearbeitet und über Schadensverhinderung informiert wird.

Insgesamt dürften in Europa zwischen 10.000 und 20.000 Wölfe leben, genaue Zahlen gibt es nicht. In Österreich geht man derzeit von gut 15 Wölfen aus. Es gibt ein Rudel in Allentsteig in Niederösterreich, das bereits zweimal Nachwuchs bekam. Der Rest sind Einzeltiere.

In Oberösterreich setzt man aufs Verjagen

In Oberösterreich lautet die Devise anders als in Salzburg: Der Wolf darf nicht gejagt, sehr wohl aber verjagt werden. Sauer ist man auf den großen Beutegreifer vor allem im oberen Mühlviertel. 33-mal sind Wölfe in den vergangenen beiden Jahren in Oberösterreich beobachtet worden, "und zwar ausschließlich im Mühlviertel", erläutert Agrarlandesrat Max Hiegelsberger (ÖVP). 29 Nutztiere von sieben Züchtern fielen den Angriffen bereits zum Opfer. Im Jahr 2016 mussten 8.500 Euro an die betroffenen Tierbesitzer im Mühlviertel ausbezahlt werden. Hiegelsberger: "Seit das Land 2017 die Zahlungen übernahm, gab es 850 Euro Entschädigung für sechs gerissene Schafe."

"Es braucht Spielregeln bei großen Beutegreifern, damit die Koexistenz mit allen, die die Landschaft nutzen, funktionieren kann", betont Hiegelsberger. Der Wolf dürfe nur mit einer Ausnahmebewilligung des Landes gejagt werden. Dafür gebe es derzeit in Oberösterreich keine Veranlassung. "Dazu müsste der Canis lupus aggressiv werden oder die Sicherheit von Menschen gefährden. Ein Kleintier zu reißen reicht nicht, kritisch ist, wenn ein Wolf aktiv die Nähe von Menschen sucht oder sie bedroht", sagt Gottfried Diwold von der Abteilung Land- und Forstwirtschaft. (Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, 16.5.2018)