Die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten müssen nun über Ceta abstimmen.

APA

Ceta steht für ...

... Comprehensive Economic and Trade Agreement, also für ein Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Das umstrittene Freihandelsabkommen ist etwa 1.600 Seiten lang und wurde im Oktober 2016 unterzeichnet. Das Abkommen wird seither vorläufig angewandt. Ceta soll die Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern Kanada, der EU und allen EU-Mitgliedstaaten erleichtern, Investitionen fördern, den Wettbewerb steigern, die Auswahl an Produkten erhöhen und Preise senken.

Zusammenfassend heißt das:

  • 98 Prozent der Zölle sollen abgeschafft, unterschiedliche Standards vereinheitlicht werden.
  • Europäische und kanadische Firmen sollen sich für öffentliche Aufträge in Kanada und der EU bewerben und Dienstleistungen in beiden Märkten anbieten dürfen.
  • Qualifikationen sollen auf beiden Seiten anerkannt werden, beispielsweise bei Architekten, Wirtschaftsprüfern und Ingenieuren.
  • Investoren sollen durch ein neuartiges Schiedsgericht geschützt werden und gegebenenfalls das Recht auf Entschädigung haben.
  • Die Regierungen auf beiden Seiten sollen wie gewohnt regulieren dürfen. Das Abkommen lässt den Schutz der Grundrechte in der Union unberührt.

Was sagen Befürworter und Kritiker?

Diese Maßnahmen sollen den Handel fördern und die Wirtschaft auf beiden Seiten ankurbeln. Die Europäische Kommission schätzt, dass europäische Unternehmen jährlich rund 590 Millionen Euro einsparen könnten – und dass das Handelsvolumen mit Kanada um rund ein Viertel steigen könnte. Diesen Schätzungen zufolge würde sich das Bruttoinlandsprodukt der EU um etwa zwölf Milliarden Euro jährlich erhöhen.

Kritiker sehen in Ceta eine Bedrohung für die Demokratie, nationale Souveränität, Umwelt, Arbeitsrechte und Landwirtschaft. Eine Privatisierung öffentlicher Dienste wird ebenfalls von manchen befürchtet.

Diese Punkte des Abkommens sind besonders wichtig:

Standardisierung

EU-Standards werden durch Ceta nicht geändert. Normen und Vorschriften in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Gesundheit, Umweltschutz, Soziales, Arbeit und so weiter bleiben vom Abkommen unberührt. Sämtliche Einfuhren aus Kanada müssen sämtliche EU-Produktvorschriften und Verordnungen einhalten.

Die EU und Kanada haben vereinbart, Zulassungen der jeweils anderen Seite für beispielsweise Elektro-, Elektronik- und Funkgeräte, Spielzeug, Maschinen und Messgeräte zu übernehmen. Dies bedeutet, dass eine EU-Konformitätsbewertungsstelle EU-Erzeugnisse, die für die Ausfuhr nach Kanada bestimmt sind, nach kanadischen Vorschriften prüfen kann und umgekehrt. Auf diese Weise sollen kostspielige Doppelprüfungen vermieden werden. Dies kommt insbesondere kleineren Unternehmen zugute, die so nicht zweimal für dieselbe Prüfung zahlen müssen.

Gesetzgebung

Mit Skepsis stehen Ceta-Gegner zukünftigen Gesetzgebungen gegenüber: Neue Standards und Gesetze sollen in enger Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada ausgearbeitet werden. Manche glauben, dass potenziell profitschädliche Vorhaben unter dem Widerstand von Unternehmen und Lobbyisten leiden und sich zum Nachteil des Verbrauchers durchsetzen könnten.

Investitionsschutz

Ceta soll laut Abkommenstext "ein hohes Maß an Schutz für Investoren gewährleisten", jedoch gleichzeitig Regulierung und Gemeinwohlziele wie etwa in den Bereichen Gesundheitsschutz, Sicherheit und Umwelt wahren. Dies bedeutet, dass Unternehmen bei Diskriminierung oder Enteignung das Recht auf Schadenersatzzahlungen haben werden, für die der Steuerzahler aufkommen könnte.

Fälle dieser Art sollen vor dem besonders kontroversen Schiedsgericht verhandelt werden: Sobald Ceta in Kraft tritt, wird ein nichtstaatliches Schiedsgericht für Konflikte zwischen Investoren und Staaten zuständig sein. Obwohl sämtliche Anhörungen öffentlich stattfinden sollen, fürchten Kritiker, dass diese Regelung nationale Gesetzgebungen untergraben und Konzernen übermäßigen Einfluss geben könnte.

Landwirtschaft und Lebensmittel

Beide Seiten werden alle Zölle auf Fischereierzeugnisse vollständig abschaffen.

Was Fleischerzeugnisse betrifft, wurde das bestehende Veterinärabkommen zwischen der EU und Kanada in Ceta aufgenommen.

Traditionsreiche europäische Produkte und Delikatessen wie Roquefort-Käse, Balsamico-Essig aus Modena oder holländischer Gouda werden von Kanada mit 143 geografischen Angaben gekennzeichnet. Der Verkauf von Imitationen soll dadurch verhindert werden, wovon vor allem mittlere und kleinere Unternehmen profitieren sollen, die mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen handeln.

Europäische Bauern fürchten, dass Ceta den Markt für große Agrarkonzerne und Gentechnik öffnen könnte und in der Folge Produktionsstandards in der EU sinken werden. Diese Bedenken haben jedoch keine sachlichen Grundlagen, beteuert die Kommission: Wer beispielsweise kanadischen Genlachs in Europa anbieten möchte, muss sich wie jedes Unternehmen um eine Zulassung von der EU bewerben. Bauern stören sich außerdem an den geplanten Angaben zum Ursprungsland: Kanada wird sich in Ursprungserklärungen bei EU-Importen lediglich auf die Angabe "Kanada/EU" oder nur "EU" beschränken.

Umwelt

Umweltaktivisten bemängeln, dass Ceta Fracking und den Import von klimaschädlichem Schweröl aus Kanada nach Europa erleichtern könnte.

Transparenz und Mitbestimmungsrecht

Viele kritisierten die weitgehend geheime Verhandlungsphase von Ceta. Das fertige Abkommen kann jedoch online frei eingesehen werden. Die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten konnten, wie üblich bei Handelsagenden, nicht mitverhandeln, sondern das Abkommen lediglich annehmen oder ablehnen.

Wann tritt Ceta in Kraft?

Die Verhandlungen über das Handelsabkommen wurden im August 2014 nach fünf Jahren abgeschlossen. Im Oktober 2016 gaben das Europaparlament, der Rat und die kanadische Regierung ihre Zustimmung für das Abkommen. Seither werden Teile des Abkommens angewandt. Damit das Abkommen auch in nationale Belange eingreifen kann, müssen noch die Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten über eine Annahme oder Ablehnung von Ceta abstimmen. (Jedidajah Otte, 16.5.2018)