Maria José Horta Carneiro Silva lächelt müde: "Nein, getan wurde bis heute nichts." Zweieinhalb Jahre ist es nun her, dass der Damm der Eisenerzmine von Samarco Mineração im Südosten Brasiliens brach. Rund 50 Millionen Tonnen mit Arsen, Zink, Quecksilber, Aluminium und Blei belasteten Bergwerksschlamms bedeckten tausende Hektar fruchtbaren Bodens, schwemmten Häuser und Autos weg. 19 Menschen verloren dabei ihr Leben. Der Unfall gilt zwar als größte Umweltkatastrophe Brasiliens, droht aber in Vergessenheit zu geraten, klagt Silva.

Verfahren gegen die Behörden, das Unternehmen Samarco und dessen Anteilseigner sind anhängig oder "stocken", wie es Silva formuliert. Betroffene warten weiterhin auf eine angemessene Entschädigung. Untersuchungen über gesundheitliche Spätfolgen fehlen. Es wächst nicht nur sprichwörtlich "Gras über die Sache", wie die 32-Jährige berichtet: So habe Samarco zum Beispiel großflächig Grassamen über das vom Schlamm bedeckte Areal verstreut, damit es wieder grün wird.

"Der Rio Doce ist tot", sagte die damalige Präsidentin Dilma Rousseff. Eisenerzabfälle verteilten sich über 680 Kilometer bis zum Atlantik.
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Bis zum 5. November 2015, dem Tag des Unglücks, arbeiteten Silva und ihr Ehemann auf einem Bauernhof in Mariana im Bundesstaat Minas Gerais im Südosten Brasiliens – der betroffenen Region. Von dem Dammbruch erfuhren sie aus dem Radio: Die Neuigkeiten wurden in den Nachrichten und nicht etwa als Warnung für die Anrainer gebracht, sagt Silva. "Die Dimensionen waren uns nicht wirklich bewusst."

Als sie ein lautes Grollen hörten, war Silva, ihrem Mann und ihrer damals zwölfjährigen Tochter klar, dass sie laufen mussten: "Die Straßen waren schon weggeschwemmt, wir liefen zu Fuß." Sie suchten Schutz im Haus ihres Vaters, das auf einem Hügel lag und daher von den Schlammmassen verschont blieb. Das eigene Haus wurde bis zur Hälfte mit dem rotbraunen Schlamm gefüllt. Das Unternehmen Samarco hat es in der Folge abgerissen. "Nicht aus Sicherheits-, sondern aus Imagegründen", ist Silva überzeugt.

Eine Aufnahme nach dem Unglück zeigt, wie hoch der Schlamm in Mariana anstieg.
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Kühe grasen weiterhin

Die von Schlammlawinen überspülten Dörfer sind bis heute nicht bewohnbar. Silva lebt mit ihrer Familie in einem Ersatzquartier. Allerdings ist die Qualität mangelhaft, sagt sie. Gesichert ist die Unterkunft noch bis Ende des Jahres. Was danach kommt, weiß niemand, berichtet Silva: "Viele Menschen haben Zukunftsängste wie wir."

Auch die Angst vor gesundheitlichen Folgen ist groß. Zwar stellt Samarco Futtermittel zur Verfügung, damit das Vieh nicht das Gras frisst, das auf dem kontaminierten Boden wächst. Die Menge reiche aber nicht aus, und die Kühe müssten immer wieder das Gras fressen. "Wir haben Angst, die Milch unserer eigenen Kühe zu trinken", sagt Silva. Ihre Mutter habe bereits schwere Allergien entwickelt, unter anderem hat sie offene Wunden im Gesicht.

Auch das Dorf Bento Rodriguez wurde Ende 2015 verwüstet.
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Verbindung zu Europa

Silva ist Mitglied der "Bewegung der von Staudämmen Betroffenen". Gemeinsam mit Joceli Andrioli will sie in Europa das Unglück in Erinnerung rufen. Den zwei Brasilianern ist zudem wichtig, dass in Europa bekannt wird, dass auch europäische Banken weiterhin in brasilianische Bergbauunternehmen investieren. Samarco ist ein Gemeinschaftsunternehmen des brasilianischen Unternehmens Vale und des australisch-britischen Rohstoffkonzerns BHP Billiton. Beide gehören zu den drei führenden Bergbauunternehmen weltweit.

Der neue "Dirty Profits"-Bericht der deutschen NGO Facing Finance, der einmal im Jahr Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltzerstörung bei global agierenden Unternehmen aufdeckt und die Finanzbeziehungen dieser Unternehmen zu Banken untersucht, liefert entsprechende Zahlen. Facing Finance berichtet darin, dass Vale auch noch 2017, nach der verheerenden Umweltkatastrophe, 111 Millionen Euro von der Deutschen Bank erhalten hat. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Deutschlandfunk berief sich die Deutsche Bank auf die Vertraulichkeit der Kundenbeziehung.

Silva und Andrioli planen nun, bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 24. Mai einen Brief der Betroffenen vorzutragen. Sie hoffen auf ein Umdenken bei den Managern der Bank. "Uns ist wichtig, dass sich Europa dafür einsetzt, dass Banken nicht in Projekte investieren, durch die Umweltkatastrophen oder Menschenrechtsverletzungen entstehen können", sagt Andrioli.

Eine Luftaufnahme von Bento Rodriguez nach dem Staudammbruch in der Eisenerzmine.
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Medizinische Untersuchung gefordert

Außerdem fordert Andrioli eine systematische ärztliche Untersuchung der Betroffenen. Im vergangenen Jahr nahm die Universität von São Paulo eine stichprobenartige Untersuchung an 13 Personen vor, berichtet er. Bei allen Untersuchten seien Schwermetalle im Blut nachgewiesen worden. Dieses Jahr wurden die Proben wiederholt. Dabei zeigte sich, dass sich diese Werte im Vergleich zu 2017 sogar noch einmal gesteigert hatten. "Hunderttausende Menschen könnten betroffen sein", sagt Andrioli. "Wir brauchen eine unabhängige Untersuchung." (17.5.2018)