Die Versteigerung von Picassos "Le Marin" sollte Steve Wynn etwa 70 Millionen Dollar bringen, dann wurde das Bild beschädigt.

Foto: Christie’s

Schulden, Tod, Scheidung: Von diesen Alltagsfaktoren – international als die "drei Ds" (Debt, Death and Divorce) geläufig – lebt der Kunsthandel wie kaum eine andere Branche. Schließlich müssen Verbindlichkeiten bedient, finanzielle Engpässe überbrückt oder Nachlässe unter Erben aufgeteilt werden.

Darauf lassen sich laut Andrea Jungmann zumindest 50 Prozent aller Kunstverkäufe zurückführen. Wenn nicht sogar deutlich mehr, betont die Sotheby's-Geschäftsführerin von Österreich, Ungarn und Polen. Gerade weil mit der Marktentwicklung seit den 1980er-Jahren ein stattlicher Wertzuwachs für damals erworbene Werke verbunden sei, die durchaus zusätzlich motivieren würden.

Das zeigt etwa ein Blick nach New York, wo seit vergangener Woche über Auktionen Kunstwerke im Wert von mehr als 1,5 Milliarden Dollar den Besitzer wechselten. 833 Millionen davon entfielen auf den 1600 Objekte umfassenden Nachlass des im März des vergangenen Jahres verstorbenen Bankiers und Milliardärs David Rockefeller.

Etwa 110 Millionen Dollar Gewinn

Anfang dieser Woche sorgte ein Aktgemälde von Amedeo Modigliani für Furore, das bei Sotheby's für stattliche 157,15 Millionen Dollar den Besitzer wechselte. Der Nettozuschlag (exkl. Aufgeld) belief sich auf 139 Millionen. Sehr zur Freude des bisherigen Eigentümers, des irischen Rennstallbesitzers und Milliardärs John Magnier. Er hatte das Gemälde 2003 bei Christie's für knapp 27 Millionen Dollar erworben, womit sein Gewinn bei etwa 110 Millionen Dollar liegen dürfte.

Könnte sein, dass das den ehemaligen Vorbesitzer Steve Wynn dieser Tage einigermaßen wurmt, da seinen Ambitionen, hochdotierte Kunstwerke zu versilbern, kein Glück beschieden sein dürfte. Im Jänner hatte der Casino-Magnat, Multimilliardär und Trump-Freund nach massiven Vorwürfen wegen sexueller Belästigung sein Amt als Finanzchef der US-Republikaner zurücklegen müssen. Er bestritt alle Anschuldigungen, zog sich jedoch auch als Chef des börsennotierten Unternehmens Wynn Resorts zurück.

Nach jahrelangem Rechtsstreit folgte dann im April eine 2,6 Milliarden Dollar teure Einigung mit einem ehemaligen japanischen Geschäftspartner. Die Nummer 679 unter den von Forbes gelisteten Milliardären scheint finanziell etwas zu straucheln.

Seit März gelangten jedenfalls einige Kunstwerke aus seinem Besitz auf den Markt: Im März verkauften Acquavella Galeries bei einer Kunstmesse in Hongkong in seinem Auftrag Andy Warhols Superman (1981) für 19,5 Millionen Dollar. Diese Woche sollten bei Christie's zwei Gemälde von Pablo Picasso versteigert werden, die ihm knapp 100 Millionen beschert hätten.

Katze auf dem Schoß

Einerseits das Porträt von Picassos Ehefrau Jacqueline mit einer Katze auf dem Schoß (1964), für das Wynn Christie's 2010 18 Millionen Dollar bewilligt hatte und für das man ihm jetzt zwischen 25 und 35 Millionen in Aussicht stellte. Andererseits Le Marin aus dem Jahr 1943, ein Selbstporträt Picassos in Matrosenjustierung. Wynn ersteigerte es 1997 bei Christie's für "nur" 8,8 Millionen Dollar. Aktuell hatte ihm das Auktionshaus zumindest 70 Millionen zugesichert. Allein, beim Aufbau der Schaustellung wurde das Gemälde beschädigt, wie Christie's bestätigte. Wynn zog nun beide Werke von der Auktion zurück.

Details zum Schaden von Le Marin wurden keine bekannt, jedoch dürfte dieser massiv sein. Kleine Kratzer oder Farbabplatzungen hätten von Restauratoren übers Wochenende behoben werden können. Ein Riss in der Leinwand freilich nicht, wie Wynn aus Erfahrung weiß. 2006 hatte er seinen Ellbogen in ein Picasso-Gemälde gerammt, das für 139 Millionen Dollar kurz vor dem Verkauf stand und einst in der Vergangenheitsbewältigung der Bawag-Causa eine Rolle spielte: Le Reve, 1997 von Wolfgang Flöttl für 48,4 Millionen Dollar ersteigert. 2000 war es in den Bawag-Büchern mit 70 Millionen gelistet und wurde von Flöttl für 65 Millionen Dollar an den Casino-Magnaten verkauft.

Der Geschäftsmann Wynn wusste das Malheur aber für sich zu nutzen. Das Bild wurde restauriert und mit der Versicherung um die Wertminderung vor Gericht gestritten. Dem Vernehmen nach einigte man sich auf rund 45 Millionen Dollar. 2013 verkaufte er das Bild dann für 155 Millionen Dollar an Steven A. Cohen, den einst mächtigsten Aktienhändler der Wall Street. (Olga Kronsteiner, 20.5.2018)