Ein Küsschen in Ehren.

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Decines-Charpieu bei Lyon – Mit dem dritten Europa-League-Titel hat Atletico Madrid seinen Status als eines der konstantesten Topteams bestätigt. "Wir haben uns in diesem Bewerb neu erfunden", sagte Erfolgscoach Diego Simeone, der zwei der drei EL-Triumphe orchestrierte, nach dem 3:0 über Olympique Marseille am Mittwoch in Lyon. Ausgerechnet Doppeltorschütze Antoine Griezmann dürfte ihm aber abhandenkommen.

Es wäre ein nahezu perfekter Abgang. Zwei Treffer als Abschiedsgeschenk, 3:0-Sieg gegen den Salzburg-Bezwinger im Finale, erster großer Titel der Karriere: So verlief die wahrscheinlich letzte große Vorstellung Griezmanns für Atletico. "Marseille ist ein Offensivteam, sie sind sehr gut, aber wir haben uns auf unsere Stärken konzentriert: gut verteidigen, ein harter Gegner sein und auf ihre Fehler lauern", umschrieb Frankreichs Teamspieler die altbekannte Taktik der Spanier.

"Wenn er uns verlässt, ist das okay"

Sollte Griezmann den Verein nach vier Jahren verlassen, könnte ihm Simeone wohl nicht böse sein. Denn die Chance, auch die Champions League zu gewinnen, ist beim angeblich stark interessierten FC Barcelona größer. "Wenn er uns verlässt, ist das okay, weil er so viel für den Klub gegeben hat", sagte der argentinische Coach nach dem Titelgewinn in Lyon.

Simeone sah sich im Glauben bestätigt, auch mit Atletico reüssieren zu können: "Sportlich sind wir nicht so weit weg von den Teams, die tiefer in die Tasche greifen können." Tatsächlich stand man nun zum fünften Mal innerhalb von acht Jahren in einem europäischen Finale und hatte 2014 und 2016 nur äußerst knapp gegen den großen Rivalen Real Madrid den CL-Sieg verpasst.

Jener Mann, der am Mittwoch in der 90. Minute für Griezmann eingewechselt wurde, wird am Sonntag nach dem Heimspiel gegen Eibar jedenfalls sicher verabschiedet. Für Fernando Torres ist es die letzte Partie im Trikot seines Herzensklubs. "Ein Traum ist wahr geworden", sagte der 34-Jährige nach dem 3:0. Dabei hatte er schon zuvor alles gewonnen, und zum Teil auch noch mehrfach: Champions-League-Sieger mit Chelsea 2012, zweifacher Europameister mit Spanien, Weltmeister, zweifacher Europa-League-Sieger.

Gebrochene Herzen in Marseille

Marseilles Spieler waren nach dem Abpfiff hingegen kaum zu trösten. "Es bricht mir das Herz", sagte Flügelspieler Florian Thauvin. Innenverteidiger Adil Rami, 2016 EL-Sieger mit dem FC Sevilla, analysierte die Gründe für die Niederlage. "Dieser letzte Schritt war zu groß für uns", sagte Rami. "Uns fehlt die Erfahrung. Gegen eine solche Mannschaft solltest du nicht versuchen, Fußball zu spielen. Du musst lange Pässe spielen und zweite Bälle gewinnen."

Dabei schien die spielerische Linie der Franzosen in der Anfangsphase durchaus vielversprechend. Doch während Stürmer Valere Germain eine Riesenchance in der vierten Minute ausließ, agierte Griezmann schon beim ersten Tor nach einem schweren Patzer von Mittelfeldakteur Zambo Anguissa eiskalt. "Gegen ein Team wie Atletico darfst du dir solche Fehler nicht erlauben", resümierte ein ernüchterter Marseille-Coach Rudi Garcia.

"Der Endstand spiegelt das Spiel nicht wider, das erfahrenere Team hat gewonnen", stellte er fest. "Sie wissen, wie man diese Partien spielt, spielen regelmäßig in der Champions League. Wir müssen uns also nicht schämen, verloren zu haben." Naturgemäß bedauerte er den Verlust von Spielmacher Dimitri Payet, der schon in der ersten Hälfte verletzt ausschied. "Das war ganz offensichtlich ein großes Problem für uns", sagte Garcia, der in der Folge nicht zuletzt Payets Gefahr bei Standardsituationen vermisste. Er sei sich des Risikos, den nicht voll fitten Offensivmann einzusetzen, bewusst gewesen: "In einem solchen Spiel musst du das Risiko nehmen." (APA, 17.5.2018)