Nationaler Sicherheitsberater John Bolton gilt als Stolperstein.

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Die Nachricht, dass Nordkoreas Diktator Kim Jong-un den Gipfel mit US-Präsident Donald Trump infrage stellt, hat das Weiße Haus am Mittwoch kalt erwischt. Nordkorea-Experten zeigten sich hingegen wenig überrascht. Es wäre für das Regime in Pjöngjang ganz untypisch gewesen, wenn es nicht neue Forderungen ins Spiel gebracht hätte, um im militärisch-politischen Tauziehen die eigene Position zu stärken.

Denn trotz des beidseitigen Friedenswillens sind die Interessen der USA und Nordkoreas noch unvereinbar. Washington will von Nordkorea die vollständige Aufgabe des Atomprogramms und sieht dies als Vorbedingung für eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen. Pjöngjang will sofortige wirtschaftliche Erleichterungen, aber sein Arsenal möglichst lange erhalten – wahrscheinlich für immer. Beide lassen sich die Option offen, die andere Seite später zu hintergehen – die USA, indem sie wie einst in Libyen nach dem Atomverzicht doch einen Regimewechsel betreiben. Nordkorea, indem es Abrüstung wie schon früher nur verspricht. In diesem strategischen Brettspiel hat Kim in Washingtons Aufstellung eine Bresche entdeckt, in die er nun kraftvoll einmarschiert.

Prestigeprojekt für Trump

Denn Trump hat offen signalisiert, dass ein Abkommen mit Kim für ihn zu einem großen persönlichen Anliegen geworden ist, zu einem Prestigeprojekt, das er nicht gefährden will. Er will als Friedensstifter in die Geschichtsbücher eingehen und spricht offen von der Aussicht auf den Friedensnobelpreis, den sein Vorgänger Barack Obama ja erhalten hat.

Aber Trump will beweisen, dass er die "Kunst des Deals" – so auch der Titel seines bekanntesten Buches – viel besser beherrscht als Obama, dass er mit seinen früheren Drohungen Kim in die Knie gezwungen hat. Sein Sicherheitsberater John Bolton denkt ganz anders, hat auch aus eigener Erfahrung kaum Illusionen über die Paktfähigkeit der Kim-Dynastie. Schließlich hat er einst mit Vater Kim Jong-il zu tun gehabt, der beim Schwindeln erwischt wurde und dann aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten ist. Und Bolton hat am Wochenende mit seinen Ansagen die Latte für Kim Jong-un so hoch gelegt, dass dieser kaum noch drüberspringen kann. Und er hat – wohl nicht zufällig – Libyen als Vorbild genannt – für Kim eine Provokation.

Aber Kim hat einen Trumpf in der Hand, und das sind Trumps Eitelkeit und Illoyalität seinen eigenen Beratern gegenüber. Wenn der ersehnte Gipfel in Gefahr gerät, so die Kalkulation in Pjöngjang, dann könnte Trump Bolton in den Rücken fallen und sich von dessen hartem Verhandlungskurs distanzieren. Trump ist schon dutzende Male von vereinbarten Positionen abgewichen, weil es ihm gerade passte – bei der Steuerreform, bei der Einwanderung und zuletzt im Handelsstreit mit China, als er die harten Maßnahmen gegen den Telekomkonzern ZTE, dem Sanktionsbruch und Diebstahl von US-Technologie vorgeworfen wird, per Twitter wieder infrage stellte, weil tausende chinesische Jobs in Gefahr sind. Er hat damit seinen Handelsminister Wilbur Ross desavouiert und Amerikas Verhandlungsposition aufgeweicht.

Bolton ist der Stolperstein

Zwar hat Nordkorea anfangs die US-Militärmanöver als Anlass für den neuen Unmut angeführt, sich dann aber rasch auf Bolton eingeschossen und ihn damit zum Stolperstein für den Gipfel erklärt. Dass dies so kurz nach der ZTE-Kehrtwende geschah, war vielleicht auch kein Zufall.

Wird Trump nun zu Bolton stehen und seinen Traum vom Friedensnobelpreis begraben? Oder wird er Kim, den er offensichtlich bewundert, entgegenkommen? Das wäre auch im Sinne Südkoreas, dessen Präsident am Friedensprozess aus emotionalen Gründen hängt – und dadurch ebenfalls erpressbar sein könnte.

Am Donnerstag tat Trump einen ersten Schritt in diese Richtung: Er stellte Kim "starke Sicherheiten" im Falle eines Abkommens in Aussicht. Es werde jedenfalls nicht zu einer Lösung wie in Libyen kommen, sagte er.

Entscheidend könnte die Rolle von US-Außenminister Mike Pompeo sein, der zwar wie Bolton als Falke gilt, aber den Friedensprozess mit Nordkorea betreibt. Boltons Querschüsse vom Wochenende könnten auch gegen ihn gerichtet gewesen sein. Nun muss Pompeo nicht nur mit Kim verhandeln, sondern auch zwischen Trump und Bolton vermitteln. (ANALYSE: Eric Frey, 18.5.2018)