Salvini (rechts) sagt, er sei stolz auf das Programm, das er und Di Maio (links) auf die Beine gestellt haben.

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Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsextreme Lega haben am Freitag ihr Regierungsprogramm veröffentlicht, mit dem Italien finanzpolitisch auf Konfrontationskurs mit der EU gehen dürfte. So wollen die künftigen Koalitionspartner die Konjunktur mit "begrenzten" schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben und fordern eine Überprüfung der EU-Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie des Eurostabilitätspakts. Den Bürgern versprechen sie ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat, Steuersenkungen, höhere Sozialausgaben und die Rücknahme der Rentenreform, mit der das Rentenalter heraufgesetzt werden sollte. Sollten die Parteimitglieder bis Sonntag ihre Zustimmung geben, könnte in der kommenden Woche die neue Regierung stehen. Offen ist allerdings noch die Kernfrage, wer die Regierung führen soll.

Lega-Chef Matteo Salvini sagte, er und der Anführer der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, hätten für Montag ein Treffen mit Staatspräsident Sergio Mattarella geplant. Mattarella muss sowohl dem Regierungsprogramm als auch dem Vorschlag für den Ministerpräsidenten zustimmen. Anleger reagierten nervös auf die Pläne, deren Umsetzung Milliarden Euro kosten würde, und stießen italienische Staatsanleihen ab. Der Aktienmarkt in Mailand gab ein Prozent auf den niedrigsten Stand seit einem Monat nach. Auch der Euro verlor gegenüber dem Dollar weiter an Wert, auch wenn das Programm nicht die Forderung nach einem Austritt aus der Eurozone enthält und einige in früheren Entwürfen enthaltene sehr weitgehende Forderungen zur Schuldenverringerung nicht mehr enthalten sind.

Abstimmungen

Die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung können seit Freitagfrüh online über den Regierungsentwurf abstimmen, den die Gruppierung mit der rechten Lega ausgehandelt hat. Dies teilte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio auf dem Blog der Bewegung am Freitag mit.

Gewählt wird am Freitag bis 20.00 Uhr auf der Onlineplattform der Bewegung, die stark auf Basisdemokratie per Internet setzt. Auch die Lega-Anhänger sind am Wochenende aufgerufen, ihre Meinung über den Koalitionsentwurf zum Ausdruck zu bringen. Auf den Plätzen in verschiedenen italienischen Städten wird die Lega Stände aufstellen, wo die Anhänger für oder gegen den Koalitionsvertrag stimmen können.

"Wenn ihr entscheidet, dass dies trotz der Meinung einiger Bürokraten in Brüssel der richtige Weg ist, werde ich den Koalitionsvertrag unterzeichnen, damit endlich eine Regierung des Neustarts beginnen kann. Wir haben mehr als 70 Tage lang gearbeitet, um in einem Regierungsprogramm das festzuhalten, was wir während des Wahlkampfes versprochen haben", so der 31-jährige Di Maio.

"Verkappte Parallelwährung"

Zur Begleichung von Schulden der öffentlichen Hand will die neue Koalition Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit ausgeben. "Es muss etwas unternommen werden, um das Problem Schulden der Verwaltungen bei den Steuerzahlern zu lösen", heißt es im Koalitionsprogramm. Der Lega-Wirtschaftspolitiker Claudio Borghi sagte, mit den dazu ausgegebenen "Mini-BOTs" könne "überall alles gekauft werden". Der scheidende Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan hatte schon bei Bekanntwerden der Pläne im Februar gewarnt, damit werde eine verkappte Parallelwährung zum Euro eingeführt. Derartige Bonds gefährdeten die Finanzstabilität und das Wirtschaftswachstum.

Anders als in einem früheren Entwurf gibt es keine Forderung mehr an die EZB bezüglich eines Schuldenerlasses. Allerdings verlangen die Koalitionäre, dass Investitionsausgaben nicht in die Defizitberechnung einfließen sollten. Die Kosten der geplanten Maßnahmen sind unklar. Carlo Cottarelli, früher ein hochrangiger Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF), schätzte sie auf bis zu 126 Milliarden Euro pro Jahr. Der "Corriere della Serra" geht von etwa 65 Milliarden Euro aus.

Die EU-Kommission hatte erst am Donnerstag die potenziellen Partner ermahnt, die Haushalts- und Defizitvorgaben einzuhalten und die Verschuldung zu senken. "Das ist unsere Botschaft an die neue Regierung. Es ist wichtig, Kurs zu halten", sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis vor dem Europaparlament. Italien hat eine Verschuldungsquote von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Das ist nach Griechenland die zweithöchste Verschuldungsquote eines Eurostaats. Vom Volumen her ist Italien allerdings Spitzenreiter bei der Verschuldung, da das Land die dritthöchste Wirtschaftskraft in der Eurozone hat.

Programm muss Präsident vorgelegt werden

Bevor der Koalitionsvertrag Präsident Sergio Mattarella vorgelegt wird, muss als letzter Schritt von den Anhängern grünes Licht gegeben werden. Dies wird voraussichtlich am Montag erfolgen. Bis dahin müssen Di Maio und Salvini einen Premier gefunden haben. "Ich bin auf unsere Arbeit dieser Tage stolz. Wir haben eine enorme Leistung in einem sehr kurzen Zeitraum vollbracht", so Salvini.

Die Fünf-Sterne-Bewegung war mit 32 Prozent der Stimmen als stärkste Einzelpartei aus den Parlamentswahlen am 4. März hervorgegangen und kann den Premiersposten für sich beanspruchen. Die Lega hatte mit 18 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft im Rahmen der Mitte-rechts-Allianz um Expremier Silvio Berlusconi abgeschnitten.

Sollte die neue Regierung zustande kommen, wäre die elfwöchige Hängepartie nach der Parlamentswahl zu Ende. Unklar bleibt weiterhin, wer Regierungschef wird. Allerdings bestätigte Lega-Chef Matteo Salvini am Donnerstagabend, dass weder er noch Luigi Di Maio das Amt des Premiers übernehmen werden. (Reuters, 18.5.2018)