Einen neuen potenziellen Ansatz für gezielte Therapien gegen eine aggressive Form von Blutkrebs haben österreichische Wissenschafter entdeckt. Die Ergebnisse der entsprechenden Studie wurde in der Zeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.

Akute myeloische Leukämie (AML) ist eine aggressive Krebsform, die zu den häufigsten Kinderkrebsarten zählt. AML-Zellen tragen oft Mutationen in einem bestimmten Gen, dessen Funktion von einem komplexen Netzwerk aus Protein-Interaktionen abhängt.

AML ist keine einzelne Erkrankung. Unter dem Begriff wird eine Gruppe von Leukämien zusammengefasst, die sich aus unreifen Blutzellen im Knochenmark bilden. Wenn diese sogenannten myeloiden Zellen erkranken, wachsen und teilen sie sich so rasant, dass sie die gesunden Zellen aus dem Knochenmark und schließlich auch aus dem Immunsystem verdrängen.

Schwer zu behandeln

Unbehandelt führt AML innerhalb von Wochen bis Monaten zum Tod. Da myeloide Zellen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zu Krebszellen werden können, ist AML eine äußerst heterogene Erkrankung und schwer zu behandeln. Daher komme dem Finden von Angriffspunkten für Wirkstoffe, die gegen möglichst viele Formen von AML wirksam sind, besondere Bedeutung in der Krebsforschung zu.

Mit einer Kombination von Analyseverfahren aus den Bereichen der Genomik (Analyse des Genoms) und Proteomik (Erforschung aller in einem Lebewesen vorhandenen Proteine mit biochemischen Methoden) ist es Wissenschaftern des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Ludwig Boltzmann Instituts für Krebsforschung (LBI CR) gelungen, ein Protein in diesem Netzwerk zu identifizieren, das entscheidend für das Überleben der AML-Zellen ist. Fehlt dieses Protein, hören die Krebszellen auf zu wachsen und häufen DNA-Schäden an. Das macht sie wiederum für Krebsmedikamente empfindlich – ein neuer potenzieller Ansatz für gezielte Therapien, so die Forscher.

Präzise Therapien

Mutationen des MLL-(Mixed lineage leukemia-)Gens sind von besonderem Interesse, da sie in vielen AML-Erkrankungen vorkommen. Sie werden durch Umlagerungen großer DNA-Stücke, sogenannter chromosomaler Translokationen, verursacht, die zu der Fusion zweier Gene führen können. Für das MLL-Gen sind Fusionen mit über 75 anderen Genen bekannt. Die daraus resultierenden Fusionsproteine wirken innerhalb von großen Proteinkomplexen, von denen manche entscheidend für die Krebsbildung sind. Sie werden als Effektoren bezeichnet und sind ideale Angriffspunkte für präzise Therapien. Bisher war jedoch unklar, ob solche Effektoren bei allen Komplexen von MLL-Fusionsproteinen vorkommen.

Die Forschungsgruppe um CeMM-Leiter Giulio Superti-Furga, Florian Grebien und Johannes Zuber wies nun gemeinsame Mechanismen nach, die für die Krebsentstehung ausschlaggebend sind. In weiteren Experimenten identifizierten die Wissenschafter schließlich ein Protein als kritischen Effektor: Die Methyltransferase SETD2.

In weiterer Folge wiesen die Forscher nach, dass das Ausschalten von SETD2 zur Anhäufung von DNA-Schäden und schließlich zum Tod der AML-Zellen führte. Darüber hinaus machte der Verlust von SETD2 die Krebszellen äußerst empfindlich auf Pinometostat, einen Wirkstoff, der sich derzeit in der klinischen Entwicklungsphase für eine Therapie gegen Leukämie mit MLL-Fusionen befindet. Diese Experimente könnten laut den Wissenschaftern den Weg zu einer effektiveren Therapie durch eine Kombination verschiedener Präparate ebnen. (APA, 22.5.2018)