Wenn jeder Mensch in seinem eigenen Kosmos lebt, dann ist das Durchdringen in das Universum eines anderen ein recht anstrengender Hypersprung, der schon manchem das Raumschiff zerrissen hat, samt Major-Tom-Status in Outer Space.

Diese Annäherung ist immer ein Risiko und immer ein Grundbedürfnis. Die Selbstlosigkeit ist zu Zeiten der endlosen Selbstvermarktung eher ein Klotz am Bein, wenn nicht gar ein Mühlstein um den Hals. Die vielbeschworene Ich-AG soll auf alle Ebenen unseres Seins zugreifen, hungriger noch als das nach Daten gierende Facebook. Aber nicht umsonst geht das Geschäftsmodell dieser Ich-AG nicht einmal im Berufsleben leicht auf.

Einerseits weil die soziale Verantwortung der Gesellschaft auf den Einzelnen abgewälzt wird, ungeachtet seiner Bedürftigkeit. Andererseits weil all diese in Zerrissenheit prekärer Konkurrenz zueinander gestürzten Ich-AGs die Ellbogen ausfahren, statt solidarisch und damit in der Gruppe stärker zu sein.

Was also schon in der Arbeitswelt versagt, sollte keineswegs in zwischenmenschlichen Beziehungen angewendet werden, ein Bereich, in dem man auf andere Art vulnerabel ist und dennoch die Offenheit zur Interaktion benötigt wie einen Bissen Brot.

In sozialen Systemen ist diese Ich-AG irgendwo zwischen Fegefeuer und Jauchegrube angesiedelt: Man kann nicht mit Zuneigung handeln, nicht mit Loyalität, nicht mit Überzeugung. Entweder ist man bereit, für all das einzustehen. Oder eben nicht. Die Ellbogentechnik, das Aufrechnen, das Hinwendungsgroschenzählen, das strategische Vorgehen haben hier eigentlich schon gar nichts verloren, wenn man einen gemeinsamen Weg gehen möchte, der einen auch weiterbringt. Freundschaft ist kein Markt. Liebe kein Geschäft. (Julya Rabinowich, 19.5.2018)