Moosbrugger hält Kürzungen im Agrarbereich für "absurd".

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"Ohne Strukturwandel gibt es Stillstand", sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger.

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Am Dienstag wurde Josef Moosbrugger zum Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich gewählt, er folgt Hermann Schultes nach. Der Vorarlberger ist gegenüber Ceta nicht abgeneigt und will beim Thema Glyphosat auf Sachverständigengutachten statt auf die Emotion von NGOs setzen.

STANDARD: Sie waren politisch hauptsächlich in Vorarlberg tätig. Ist Wien Neuland für Sie?

Moosbrugger: Ich war schon auf Bundesebene in verschiedenen Positionen tätig, aber natürlich ist es ein markanter Schritt. Ich sehe es als Chance, wenn ein Vertreter aus dem Westen so ein Vertrauen bekommt. Dass man in ein paar Jahren sagen kann: Auch ein Vorarlberger kann österreichweit ein ausgezeichneter Präsident sein.

STANDARD: Wollen Sie die Linie Ihres Vorgängers weiterverfolgen?

Moosbrugger: Bereits in den letzten Jahren war die agrarpolitische Strategie, stärker auf Qualität und nicht auf Masse und Menge zu setzen. Der eingeschlagene Weg stimmt. Bisher liefert der Wert der Lebensmittel aber noch immer nicht die wirtschaftliche Basis, die der Landwirt braucht.

STANDARD: Bedeutet Qualität vor Quantität die stärkere Förderung von Kleinbauern?

Moosbrugger: Nein, so würde ich das nicht interpretieren. Mir geht es nicht um klein oder groß und konventionell oder bio – wir brauchen alle. Die Frage ist eher, ob wir eine Weltmarktentwicklung forcieren wollen, wenn landwirtschaftliche Betriebe international um ein Vielfaches größer sind als jene in Österreich.

STANDARD: Die Kammerpflichtmitgliedschaft hätte ja um ein Haar gewackelt. Zeit für eine Reform?

Moosbrugger: Nein, aus meiner Sicht nicht. Es macht Sinn, dass man aufgrund der beruflichen Tätigkeit einer Kammer zugehörig ist. Wenn man einen gesetzlichen Auftrag hat – wir sind ja kein Verein –, eine Gruppe zu vertreten, ist die Pflichtmitgliedschaft wichtig. Für wen mache ich eine Vertretung, wenn sie freiwillig ist?

STANDARD: Ihre Mitglieder sterben Ihnen aber der Reihe nach weg.

Moosbrugger: Da muss man zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und unseren Mitgliedern differenzieren. Bei den Mitgliedern sind wir relativ konstant, bei den Betrieben hat es immer schon einen Strukturwandel gegeben. Wie soll es eine Weiterentwicklung geben, wenn alles eingefroren ist? Wir setzen nicht nur auf den Agrarbereich, sondern auf ein Einkommen, das sich aus mehreren Bereichen zusammensetzt. Das bringt auch mehr Stabilität.

STANDARD: Also ist der Strukturwandel gut?

Moosbrugger: Ohne ihn gibt es Stillstand. Betriebe können sich nicht weiterentwickeln, die verfügbare Fläche wird nicht mehr. Der Strukturwandel wird immer stattfinden. Was man dagegen tun kann? Das einfachste Rezept ist, dass jeder aus seiner Betriebsgröße ein Einkommen verdient, das zum Überleben ausreicht.

Josef Moosbrugger (links) löst Hermann Schultes (rechts) als LK-Präsident ab. In der Mitte: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.
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STANDARD: Laut Ihrem Vorgänger wird es keine Agrarkürzungen im EU-Budget geben. Stimmen Sie zu?

Moosbrugger: Ich lege mich derzeit auf keine Zahl fest, wir stehen am Beginn der Verhandlungen. Es gilt, in Brüssel alles zu unternehmen, um das Finanzvolumen letztlich bestmöglich auszugestalten. Da wünsche ich mir von Österreichs Verhandlern schon ein gewisses politisches Rückgrat.

STANDARD: Was erwarten Sie sich?

Moosbrugger: Ich halte es für absurd, dass die Kommission die Verwaltungskosten steigern will und bei Agrargeldern gekürzt wird. Man spart nicht bei sich selber, sondern bei den Bauern. Ich gehe davon aus, dass die Verwaltung mindestens um das reduziert wird, was man bei den Agrargeldern kürzt. Etwas anderes wäre nicht nachvollziehbar.

STANDARD: Sind Sie für die vorgeschlagene Deckelung bei 60.000 Euro für Direktförderungen?

Moosbrugger: Das ist nicht das österreichische Kernthema, weil wir bei den Größenordnungen der Betriebe da keine Rolle spielen. Wenn es in Europa eine Mehrheit für die Lösung gibt, wird Österreich nicht bremsen. Die Frage ist, wohin man das Geld lenken will. Wir wollen auf jeden Fall, dass die Mittel an bäuerliche Familienbetriebe gehen.

STANDARD: Ist eine flächenabhängige Förderung dann noch sinnvoll?

Moosbrugger: Aus meiner Sicht sehr wohl, aber das hängt sehr stark von der Systematik ab. Um möglichst viel an Umweltprogrammen in der Fläche zu verteilen, braucht man einen Flächenschlüssel. Wir haben in Österreich eine völlig andere Verteilung der Agrargelder als innerhalb Europas. Es gibt keinen Staat, wo die zweite Säule so einen hohen Wert hat, deswegen tun uns die Kürzungen dort auch so weh. Der Landwirt erbringt Leistungen im Interesse der Umwelt, mit der Bewirtschaftung von benachteiligten Gebieten und Biowirtschaftsweise. Da braucht es auch in Zukunft eine Entschädigung, sonst gibt es diese Leistungen nicht mehr.

STANDARD: Inwiefern wollen Sie sich dem Thema Klimawandel in der Landwirtschaft widmen?

Moosbrugger: Das ist ein wichtiges Thema für die Zukunft, weil wir davon ja stark betroffen sind – insbesondere wenn es um Trockenheit oder Dürre geht. In manchen Gebieten spüren wir das gerade sehr stark. Es ist aber auch eine Chance, dass die Landwirtschaft Teil des Problemlösers wird, gerade wenn es um Energiefragen geht.

STANDARD: Sie haben sich für Ceta ausgesprochen. Ist das nicht gegen das Interesse Ihrer Mitglieder?

Moosbrugger: Ich widme mich der Sachpolitik und nicht der Emotion, wie gerade der Wind weht. Ceta ist nicht von gestern auf heute gekommen, dazwischen liegt eine lange Verhandlungszeit, viel wurde verändert. Wenn man Ceta ganz nüchtern inhaltlich analysiert, ist eine deutliche Verbesserung und Abmilderung zu sehen – gerade in der Landwirtschaft. Es dürfen nur Waren in die EU gelangen, die den europäischen Produktionsstandards entsprechen. Insbesondere gentechnisch veränderte Produkte müssen gekennzeichnet werden. Das sind alles klare Unterschiede zu Mercosur. Das lehne ich in der jetzigen Form ganz entscheiden ab.

STANDARD: Wie stehen Sie zum Thema Glyphosat?

Moosbrugger: Die Regierung wird sich einen Ausstiegsplan überlegen. Aus Sicht der Landwirtschaft stellt sich die Frage, was jetzt wirklich zählt. Wenn auf Expertenebene Gutachten zugrunde liegen, die feststellen, dass die Ungefährlichkeit eines Mittels gegeben ist, auf was soll man sich verlassen: Auf die Emotion von NGOs oder auf Sachverständigengutachten? Warum Glyphosat verbieten und andere nicht? Importiert wird dann ja alles, Hauptsache es ist billig. Das ist eine klassische Wettbewerbsverzerrung wie in keinem anderen wirtschaftlichen Bereich. Aber in der Landwirtschaft scheint es tolerierbar zu sein.

STANDARD: Was passiert mit Ihrer eigenen Landwirtschaft?

Moosbrugger: Ich habe eine starke Familie im Hintergrund, der älteste Sohn ist 25, der Jüngste 17, dazwischen ein Madl. Die sind an der Landwirtschaft interessiert und am Hof und stark eingebunden, wenn der Vater politisch unterwegs ist. Das war bisher so und wird in Zukunft noch ein bisschen intensiver. Aber ich bin einer, der selbst in der Praxis steht und weiß, wovon er spricht, und daneben die Zeit einbringt, um Politisches umzusetzen.

STANDARD: Sie werden also pendeln?

Moosbrugger: Ja, selbstverständlich. Ich werde nicht ganz darauf verzichten, bei meinem Betrieb zu sein. Es ist auch gar nicht notwendig, dass man sich sieben Tage rund um die Uhr in Wien aufhält. Aber ich bin da, wenn Termine oder politische Diskussionen stattfinden. Ich will in die Bundesländer hinaus und ich werde auch in Vorarlberg die Kammer betreiben, das lässt sich gut vereinbaren. (Nora Laufer, 19.5.2018)