Wenige polarisieren hierzulande so wie Hermann Nitsch – und wenige werden so missverstanden wie er. Seine Malaktionen mit Tierblut haben sich dank Zutuns der Boulevardmedien als Provokationen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Dass sie Teil eines Lebensprojekts namens Orgien-Mysterien-Theater sind, das keineswegs auf Schock abzielt, ist immer noch manchem neu.

Ob man selbst dabei war bei Nitschs Zeremonien in Prinzendorf oder gegen die eigenen Vorurteile angehen möchte: Für alle gibt es heuer Gelegenheit, mehr über diesen Grandseigneur der österreichischen Aktionskunst zu erfahren. Er wird 80.

Ein Herzstück im Jubiläumsjahr ist jene Ausstellung, die Samstagabend im Nitsch-Museum Mistelbach eröffnet wird. Mit Schlüsselwerken und Originaldokumenten wird die hehre Intention des Universalkünstlers nachvollzogen. Nichts Geringeres als eine "Schule der Sinnlichkeit, der Wahrnehmung und der Empfindung" soll sein Gesamtwerk aus Performance, Theater, Malerei, Musik und Literatur sein.

Ziel ist es, über ungekannte Körpererfahrungen die Sinne zu sensibilisieren, auf dass "das Sein in seiner Ganzheit erfasst werde". In Interviews wettert Nitsch gerne gegen Smartphones und Virtualität. Sie erscheinen ihm als Widersacher jener "totalen Sinnlichkeit", die seine moderne Mystik anstrebt. (rg, 18.5.2018)