Die Spannungen zwischen den USA und Europäern sind in der vergangenen Woche fast täglich angestiegen. Iran, Luftfahrt und Stahl: Rund um diese drei Themenkomplexe tobt der transatlantische Konflikt derzeit am heftigsten. Nach dem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomdeal mit dem Iran drohen einander Europäer und Amerikaner gegenseitig mit Sanktionen.

Die USA werden europäische Firmen abstrafen, die ihre Verbindungen zum Iran nicht kappen. Die EU-Kommission hat am Freitag zum Gegenschlag ausgeholt und eine Verordnung vorgelegt, die es allen europäischen Firmen verbietet, sich an die US-Sanktionen in puncto Iran zu halten. Und: Europäische Unternehmen wird das Recht zuerkannt, Schadenersatz zu verlangen, wenn sie wegen der Sanktionen Einbußen erleiden.

Eskaliert ist parallel dazu ein Streit der beiden vor der Welthandelsorganisation WTO: Ein Schiedsgericht dort hat entschieden, dass die EU den Flugzeughersteller Airbus über Jahre hinweg mit illegalen staatlichen Subventionen gefördert hat – zum Nachteil des US-Flugzeugbauers Boeing. Als Folge drohen die USA Europa mit hohen Strafzöllen. Darüber hinaus drohen die USA den Europäern seit Wochen mit Zöllen auf Stahl- und Aluminium. Wie könnte es im Kräftemessen weitergehen?

1. Der Kompromiss gelingt

Möglich ist aus heutiger Sicht, dass mit einem Kompromiss alle Differenzen ausgeräumt werden. Der Iran-Streit könnte entschärft werden, indem die USA europäischen Unternehmen einzelne Genehmigungen für ihre Iran-Geschäfte ausstellen. Das Finanzministerium kann solche Genehmigungen ausstellen und hat das immer wieder für Unternehmen getan.

Im Streit um Stahl bietet die EU den USA bereits Entgegenkommen an. Trump beklagt, dass die EU unfaire Handelspraktiken einsetzt. So etwa, weil US-Automobile, die nach Europa exportiert werden, in der EU mit hohen Einfuhrzöllen belegt werden. Die EU ist bereit, mit Washington über einen besseren Zugang der US-Autobauer zum europäischen Markt zu verhandeln. Doch die Europäer wollen und können den Amerikanern nicht einfach Zugeständnisse machen. Sie verlangen, dass Trump keine Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt.

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Boeing-Maschine wird im Werk des US-Konzerns in Everett, Washington, zusammengebaut. Zwischen der EU und den USA tobt seit Jahren ein Streit bezüglich Boeing und Airbus.
Foto: AP

Laut den Regeln der Welthandelsorganisation WTO müssten die Europäer zudem Vorteile, die sie den USA anbieten, auch allen anderen WTO-Mitgliedsländern offerieren. Niedrigere Zölle für Pkw-Importe in der EU müssten demnach zum Beispiel auch für China gelten. Die einzige Möglichkeit, diese Regel zu umgehen, wäre, wenn die EU und die USA ein transatlantisches Handelsabkommen ausverhandeln, eine Art TTIP light. Dabei könnte man auch den Streit Boeing-Airbus beilegen. Nur: Das alles würde wohl Jahre dauern und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten, also auch bei Trump, erfordern. Danach sieht es derzeit nicht aus.

2. Die volle Eskalation

Aufgrund der vielen Streitpunkte und der "gegenseitigen Antipathie" hält es der US-Ökonom Gary Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics in Washington für gut möglich, dass zwischen den beiden Seiten ein Schlagabtausch beginnt. Der US-Präsident verfügt laut Hufbauer im Grunde in handelspolitischen Fragen über völligen Freiraum: Er allein kann entscheiden, ob er Zölle anhebt oder ausländische Einfuhren ganz begrenzt. Der US-Kongress könnte Trump nur im Nachhinein per Gesetz aufhalten, "doch dafür sehe ich angesichts der republikanischen Dominanz kaum eine Möglichkeit", so Hufbauer.

Im ersten Schritt des Eskalationsszenarios würde Trump die Strafzölle auf Stahl und Aluminium einführen. Europa würde das treffen, der Schaden wäre aber begrenzt. Die Stahl- und Aluminiumexporte aus der Union machen nur einen kleinen Teil der transatlantischen Geschäfte aus.

Doch Europa wäre gezwungen zu reagieren. Die EU hat bereits eine Liste mit dutzenden Produkten vorgelegt, die sie im Gegenzug mit Zöllen belegen würden.

Kann der Streit zwischen Brüssel und Washington noch beigelegt werden?
Illustration: Köck

Die Maßnahmen sind zunächst eher symbolisch. Neben Jeans aus den USA droht die EU mit Zöllen auf Harley-Davidson- und Whiskey-Importe aus Amerika. Das soll die republikanisch dominierten Bundesstaaten treffen und so Druck auf Trump erzeugen.

Doch der US-Präsident hat bereits angekündigt, die Sanktionen der EU seinerseits mit Gegensanktionen zu beantworten. Wahrscheinliches Ziel: die Automobilindustrie. Trump hat zehn Prozent Zölle auf Autoimporte aus Europa angedroht. Unternehmen wie VW oder Volvo würde das hart treffen: Die USA sind der größte Abnehmer von europäischen Pkws. Die Europäer exportieren mehr Automobile und Automobilteile in die USA, als sie umgekehrt importieren. Die Wertdifferenz liegt bei über 22 Milliarden US-Dollar (über 18 Milliarden Euro).

In diesem Fall wäre die EU ihrerseits gezwungen, die eigenen Gegenmaßnahmen auszudehnen: Die Kommission hat schon in der vergangenen Woche die dafür notwendigen rechtlichen Schritte eingeleitet. Sie schlägt im Notfall Zölle von bis zu 50 Prozent vor. Auf der EU-Zielliste finden sich Stahlprodukte aus den USA, aber auch Motorboote und Maschinen. Zudem werden Agrareinfuhren ins Visier genommen. Wie es danach weitergeht, wenn an dieser Stelle kein Kompromiss gefunden wird, ist schwer zu sagen.

Bild nicht mehr verfügbar.

VW-Werk in Wolfsburg. Der deutsche Autobauer muss US-Zölle auf Pkws fürchten.
Foto: Reuters

Der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut tippt darauf, dass die USA in der nächsten Stufe die europäische Chemiebranche mit Zöllen strafen würden. Eine andere Alternative wären Maschineneinfuhren aus Europa. Doch daran glaubt Felbermayr nicht, Maschinen sind für die US-Wirtschaft zu wichtig.

Den Europäern ihrerseits bliebe in diesem Fall, da sie deutlich mehr Waren in die USA ausführen als umgekehrt, wohl nur noch, digitale Dienstleistungsimporte aus den USA ins Visier zu nehmen, sagt Felbermayr. Die Ziele wären also Amazon, Google, Yahoo oder Apple. Die IT-Dienstleistungen hält auch der US-Ökonom Hufbauer für den wunden Punkt der Amerikaner.

Die wirtschaftlichen Schäden einer solchen Eskalation sind schwer zu bewerten. Bleibt es bei Strafen auf Stahl und Automobile, sind die Effekte für die EU und auch für Österreich überschaubar, zeigt eine Berechnung des Ifo-Instituts. Breitet sich der Konflikt weiter aus, wird es teuer, so der US-Ökonom Hufbauer.

In einer Übergangsphase, die laut Hufbauer an die fünf Jahre dauern könnte, würde die Arbeitslosigkeit in Europa wie den USA deutlich ansteigen, das Wirtschaftswachstum würde spürbar zurückgehen. Läuft alles gut, könnte sich die Wirtschaft danach erholen. Die USA und die EU sind schließlich die größten Binnenmärkte der Welt. Im Grunde müssten beide Blöcke in der Lage sein, alle benötigten Produkte und Dienstleistungen herzustellen, so Hufbauer. Die langfristigen Wohlfahrtsverluste hält er für überschaubar.

So optimistisch sind nicht alle: Ohne transatlantischen Handel könnten zwar sowohl die EU als auch die USA leben, glaubt Harald Oberhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien. Doch müssten sie alles selbst erzeugen, wäre das weniger effizient. Die Folge: Sowohl die EU als auch die USA müssten mit dauerhaftem Wohlstandsverlust leben.

3. Vorsichtige Eskalation

Ökonom Oberhofer ist überzeugt, dass es nicht zu einer vollen Eskalation kommen wird. Dafür sind die gegenseitigen Abhängigkeiten zu groß. Die EU exportierte allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 375 Milliarden Euro in die USA und führte Güter im Wert von 256 Milliarden ein. Im Dienstleistungssektor beliefen sich laut Zahlen der EU-Kommission Aus- und Einfuhren auf je 218 Milliarden Euro. Für Österreich sind die USA der zweitwichtigste Handelspartner nach Deutschland.

Bild nicht mehr verfügbar.

Der US-Präsident gibt sich entschlossen: Die Erklärung zur Einführung von Strafzöllen gegen China im Stahlsektor hat er bereits unterzeichnet.
Foto: Reuters

Angesichts dieser Dimension sei es wahrscheinlich, dass zwar beide Seiten ihre Muskeln spielen lassen, aber einem Showdown aus dem Weg gehen, so Oberhofer. Die USA und China haben sich gegenseitig in einer ersten Runde mit Strafzöllen belegt, versuchen nun aber auf dem Verhandlungsweg eine weitere Eskalation zu verhindern.

Diesem Vorbild könnten auch Europäer und US-Amerikaner folgen. Erfolgsaussichten: möglich, aber zweifelhaft. Auch hier ist Kompromissbereitschaft notwendig. Auch der Wiener Ökonom Oberhofer warnt übrigens davor, Trump einfach nachzugeben, etwa im Stahlstreit: "Wenn Trump das Gefühl bekommt, einen schnellen Sieg errungen zu haben, wird er mehr wollen." (András Szigetvari, 20.5.2018)