Premier Yıldırım

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Präsident Erdoğan mit einem Schal, der an die traditionelle Kopfbedeckung der Araber gemahnen soll.

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Istanbul/Gaza – Bei einer Großkundgebung in Istanbul gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Muslime zur Einheit aufgerufen. Die Muslime zeigten ein "scheues und feiges Bild" im Angesicht ihrer Gegner, kritisierte Erdoğan am Freitag in einer Ansprache vor tausenden Menschen.

"Zwischen der Grausamkeit, die vor 75 Jahren in Europa an den Juden begangen wurde, und der Brutalität, der unsere Brüder aus Gaza heute ausgesetzt sind, besteht überhaupt kein Unterschied", sagte Erdoğan am Freitagabend bei der Eröffnung eines Sondergipfels islamischer Staaten in Istanbul. "Die Kinder der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern auf jede erdenkliche Weise gefoltert wurden, greifen heute leider mit Methoden, die denen der Nazis quasi in nichts nachstehen, unschuldige Palästinenser an."

Es sei Zeit, die internen Differenzen zu überwinden und eine "starke Haltung gegen Israels Tyrannei" zu zeigen, hieß es weiter.

Auch Yıldırım zieht wahnwitzigen Vergleich

Zuvor hatte der türkische Regierungschef Binali Yıldırım Israel in einer scharfen Ansprache vorgeworfen, durch die Besetzung von palästinensischem Land und die Missachtung internationalen Rechts "Hitler und Mussolini" nachzuahmen. Er warf Israel zudem "Völkermord" und "ethnische Säuberungen" vor und kritisierte, dass die israelischen Behörden keine Versorgung von Verletzten im Gazastreifen zuließen.

Die Kundgebung aus Solidarität mit den Palästinensern fand unter der Parole "Verurteilt die Unterdrückung, unterstützt Jerusalem!" statt. Israelische Soldaten hatten allein am Montag rund 60 Palästinenser bei Protesten am Grenzzaun zu Israel erschossen und etwa 2.400 weitere verletzt.

"Jerusalem ist unsere rote Linie"

Schon Stunden vor Erdoğans Auftritt drängten sich tausende Menschen am Kundgebungsort am Marmara-Meer. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu sprach von 500.000 Teilnehmern. Die Demonstranten schwenkten palästinensische und türkische Flaggen und hielten Plakate mit der Aufschrift "Jerusalem ist unsere rote Linie" hoch. Auch der palästinensische Regierungschef Rami Hamdallah und andere ausländische Politiker nahmen an der Kundgebung teil.

Die Kundgebung erfolgte vor einem Sondergipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), den Erdoğan als OIC-Vorsitzender einberufen hatte. Neben dem jordanischen König Abdullah II. wurden die Emire Katars und Kuwaits, der iranische Präsident Hassan Rouhani, Afghanistans Staatschef Ashraf Ghani und der sudanesische Präsident Omar al-Bashir erwartet. Saudi-Arabien wird von Außenminister Adel al-Jubeir vertreten.

Ägypten will während Ramadan Gaza-Grenze öffnen

Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri sollte nach Angaben aus Kairo über die Bemühungen seines Landes um die "Minderung des Leidens des palästinensischen Brudervolks, besonders im Gazastreifen" informieren. Ägypten hat seine Grenze zum Gazastreifen weitgehend abgeriegelt. Es kündigte am Donnerstag aber an, sie für die Zeit des islamischen Fastenmonats Ramadan zu öffnen, der am Mittwoch begonnen hat.

Erdoğan hatte erst im Dezember einen OIC-Gipfel in Istanbul einberufen, um die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump zur Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zu verurteilen. Am Montag wurde die neue Botschaft in Jerusalem anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung Israels eröffnet. Für die Palästinenser gilt die Staatsgründung wegen der darauffolgenden Massenvertreibungen als Nakba (Katastrophe). Sie begehen sie jedes Jahr am 15. Mai mit Kundgebungen und Demonstrationen.

Die Todesschüsse des israelischen Militärs und seiner Scharfschützen auf die zumeist unbewaffneten Demonstranten stießen in der islamischen Welt auf einhellige Kritik. Allerdings erscheint es angesichts der Differenzen zwischen den OIC-Staaten unwahrscheinlich, dass sie sich in Istanbul auf konkrete Maßnahmen einigen können. (APA, 18.5.2018)