Bei zahlreichen maltesischen Glücksspielfirmen soll es Mafiaverbindungen oder Briefkastenfirmen als Eigentümer geben oder gegeben haben.

Foto: APA/dpa/Ulrich Perrey

Wien/Valletta – Malta ist neben Gibraltar die europäische Hochburg für Online-Glücksspiel. Fast 300 Online-Casinos und -Wettfirmen sind auf der Insel registriert und bedienen von dort aus Kunden in allen EU-Staaten. Die maltesische Glücksspielbehörde überwacht den Sektor aber kaum, er ist seit langem im Griff der italienischen Mafia.

Italienische Ermittler sind seit einem Jahrzehnt mehreren Mafiaclans auf der Spur, die Maltas Glücksspielsektor für ihre Zwecke ausgenutzt haben sollen – zum Verdienen und Waschen riesiger Geldsummen. Das berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) am Freitag, die sich mit 17 anderen Medien zum "Daphne-Projekt" zusammengetan hat. Die Journalisten setzen damit die Recherchen der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia fort, die vergangenen Oktober durch eine Autobombe starb. Caruana Galizia hatte geschrieben, dass Malta mit dem Bestreben, das Zentrum der europäischen Glücksspielindustrie zu werden, Missbrauch die Tür geöffnet habe.

Lückenhafte Kontrolle

Laut "SZ" stellten die italienischen Ermittler mehrfach fest, wie die Mafia den Glücksspielsektor unterwandert und wie die lückenhafte Kontrolle der Malta Gaming Authority (MGA) das begünstigt hat. Mafiaorganisationen sollen sich die Glücksspiellizenzen sogar untereinander weitergegeben oder ganz ohne Konzession Geschäfte gemacht haben.

Das oberste Antimafiagericht Italiens ersuchte dem Bericht zufolge die maltesischen Behörden um Hilfe, aber es dauert Monate, bis diese Untersuchungen anordneten und Konten von Beschuldigten einfroren.

In einem von mehreren Fällen erließ ein Gericht in Palermo Ende Jänner 2018 Haftbefehle gegen 26 Beschuldigte. Einer der Verhafteten ist laut "SZ" der als Glücksspielkönig bekannte Benedetto Bacchi. Mit Hilfe von Mittelsmännern der kalabrischen 'Ndrangheta nutzte er die maltesischen Lizenzen, um seine monatlichen Gewinne auf 16 Mio. Euro zu steigern, so die Zeitung. Die Strafverfolger beschrieben sein System der "SZ" zufolge als "Geldautomat", das ihm erlaubt habe, "Geld für Zwecke der Clans abzuheben".

Briefkastenfirmen

Bei zahlreichen maltesischen Glücksspielfirmen soll es Mafiaverbindungen oder Briefkastenfirmen als Eigentümer geben oder gegeben haben. Die LB Group mit der Hauptmarke Leaderbet sei in Gerichtsakten mit dem obersten Clanchef der Cosa Nostra, dem seit 1993 untergetauchten Matteo Messina Denaro, in Verbindung gebracht worden. Die Behörde MGA hatte der LB Group die Lizenz weggenommen, die Geschäfte liefen aber laut "SZ" bis zuletzt weiter. Erst nach Veröffentlichung von Rechercheergebnissen seien die Websites nicht mehr erreichbar gewesen. "Es ist leichter, mit Peru oder Kolumbien zusammenzuarbeiten", beklagt der hochrangige Antimafiaermittler Nicola Gratteri.

Malta war 2004 der erste EU-Staat, der den Online-Glücksspielsektor regulierte. Heute trägt das Zocken mit 1,2 Mrd. Euro zwölf Prozent zur maltesischen Wertschöpfung bei. Malta lockte die Internetanbieter mit einem niedrigen Steuersatz.

In vielen Ländern ist es umstritten, ob eine Firma mit einer Malta-Lizenz tatsächlich überall anbieten darf. In Österreich etwa hat das Monopol aufs Zocken der teilstaatliche Casinos-Austria-Konzern, der auch die Plattform win2day betreibt. De facto gibt es aber einen riesigen grauen Markt. Die privaten Firmen wie bet-at-home, die auch eine Malta-Lizenz hat, urgieren seit langem eine Öffnung des Glücksspielmarkts im Internet. Ihrer Meinung nach dürfen sie aber jetzt schon legal in Österreich anbieten. Sie berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit der EU.

In Österreich wollte das Finanzministerium schärfer gegen illegales Online-Glücksspiel vorgehen und hat dazu auch im Februar einen Gesetzesentwurf versandt, der unter anderem Internetsperren vorsah. Der Entwurf wurde aber kurz darauf zurückgezogen und bis heute, entgegen anderslautenden Ankündigungen, nicht erneut versandt. Die Zurückziehung war mit einem "technischen Versehen" begründet worden, die betroffenen Online-Anbieter waren auf die Barrikaden gestiegen. (APA, 19.5.2018)