Dieses Foto – aus einem Video, das sie selbst veröffentlicht hat – zeigt Loujain al-Hathloul, wie sie am 30. November 2014 über die Grenze zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien mit dem Auto gefahren ist. Am 1. Dezember wurde sie verhaftet.

Was haben die neue Herzogin von Sussex und eine saudische Frauenaktivistin gemeinsam? Die eine hatte am Samstag ihre Prinzessinnenhochzeit – die andere verbrachte den Tag im Gefängnis, wieder einmal. Auf Twitter kursiert derzeit ein Foto von "Vanity Fair", das Meghan Markle und Loujain al-Hathloul gemeinsam zeigt, beim Young World Summit in Ottawa: Denn die beiden verbindet ihr feministischer Einsatz, allerdings mit unterschiedlichen Risiken.

Angeblich soll über Loujain al-Hathloul schon nach ihrer Rückkehr vom CEDAW-Treffen (Committee on the Elimination of Discrimination against Women) in Genf im Februar ein Ausreiseverbot verhängt worden sein. In der Nacht zum Samstag gaben die saudischen Behörden die Verhaftung von sieben Personen bekannt, eine davon ist die 28-Jährige. Es ist für sie das dritte Mal nach 2014 und 2017.

Verlautbarungen nach Mitternacht

Die Verlautbarungen der offiziellen Nachrichten und königlichen Dekrete kommen in Saudi-Arabien derzeit meist nach Mitternacht, auch jener, die weltweit positiv zur Kenntnis genommen werden – eben wie die Chauffiererlaubnis für Frauen im erzkonservativen Königreich ab Juni 2018. Bald ist es also so weit, genannt wird derzeit der 24. Juni, und die Fahrschulen sind voll. Joujain al-Hathloul war an dieser Front ganz vorne: Im Dezember 2014 wurde sie wegen unerlaubten Autofahrens verhaftet und verbrachte 73 Tage hinter Gittern. Ihr Aktivismus brachte ihr aber nicht nur zuhause Ärger, sondern außerhalb Ruhm: 2015 war sie die dritte auf der Liste der "Top 100 Most Powerful Arab Women".

Mit Hathloul wurden am Freitag drei weitere Aktivistinnen verhaftet, Iman al-Nafjan, Aziza al-Youssef und Aisha al-Manea, auch sie Vorkämpferinnen für das Frauenfahrrecht. Als – im saudischen Kontext – sozusagen harmlose Erklärung für die derzeitigen Repressalien wurde deshalb genannt, dass die Frauen daran gehindert werden sollten, sich den großen Tag im Juni auf die eigenen Fahnen heften und andere Anliegen promoten zu können. Schon im September 2017, als das Ende des Fahrverbots verkündet wurde, soll ihnen beschieden worden sein, besser den Mund zu halten. Die Modernisierung Saudi-Arabiens muss allein das Verdienst von Kronprinz Mohammed bin Salman bleiben.

Eine "Zelle" von "Verräterinnen"

Aber die Bösartigkeit der Kampagne lässt auf mehr schließen. Saudische Medien zeigten die Fotos der Frauen versehen mit dem Stempel "Verräterin". Sie hätten mit den gleichzeitig verhafteten Männern eine "Zelle" gebildet, die eine Gefahr für die Staatssicherheit darstellt, vorgeworfen wird ihnen "Kontakt mit ausländischen Entitäten mit dem Ziel, die Sicherheit und den sozialen Zusammenhalt des Landes zu unterminieren". Amnesty International führt drei verhaftete Männer an, nennt jedoch nur zwei Namen: Ibrahim al-Modeimigh ist Anwalt und Mohammed al-Rabea der Gründer eines gemischten literarischen Salons.

Dass Hathloul Kontakt mit ausländischen Organisationen gehabt hat, ist bei ihrer weltweiten Vernetzung kaum zu leugnen. Sie und die anderen setzten sich auch für die Aufhebung der männlichen Vormundschaft über Frauen ein, die zwar etwas gelockert ist, aber noch immer gilt. Das Königreich Saudi-Arabien befindet durch die Initiative des Kronprinzen, der dem Druck von innen, aber auch von außen – der Wirtschaft – stattgegeben hat, in einer enormen sozialen Umbruchphase.

Der Modernisierungsschub hat jedoch rein gar nichts mit politischer Freiheit oder Demokratisierung zu tun. Allerdings geht die Repression in alle Richtungen, nicht nur gegen liberale Aktivisten. Die verordnete Modernisierung wird von den starken Ultrakonservativen, die sie als einen Angriff auf die islamische Tradition sehen, strikt abgelehnt: Aber auch diese Kreise werden mit Gewalt stillgehalten, in den Gefängnissen befinden sich neben den liberalen auch islamistische Dissidenten.

Spekulationen und Gerüchte

Immer wieder gibt es Spekulationen darüber, wie stabil Saudi-Arabien unter der Führung des sehr zurückgenommenen alten König Salman und seines überschäumenden 32-jährigen Sohnes und Kronprinzen ist. Mohammed bin Salman scheint die Familie unterworfen und alle Konkurrenten ausgeschaltet zu haben. Alle Sicherheitsagenden liegen in seiner Hand.

Seine Reformen – etwa auch seine Antikorruptionskampagne, die mit rechtsstaatlichen Vorgängen wenig zu tun hatte – finden in der Bevölkerung breite Unterstützung, die ihm auch seine Liberalisierung im Unterhaltungssektor hoch anrechnet. Aber er hat sich auch erbitterte Gegner geschaffen. Und kaum ist er ein paar Tage lang nicht in der Öffentlichkeit zu sehen – wie in den vergangenen Wochen –, gibt es die wildesten Gerüchte. Die jüngsten, über einen Putschversuch, kamen aus iranischen Quellen. Da muss gleich daran erinnert werden, dass auch im Iran Frauenaktivistinnen – jene, die gegen den Hijabzwang protestierten – im Gefängnis sitzen. (Gudrun Harrer, 20.5.2018)