Am Freitag findet in Irland das Referendum über das Abtreibungsverbot statt. im Endspurt versuchen Befürworter und Gegner die Unentschlossenen auf ihre Seite zu ziehen.

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In Umfragen hat sich der Abstand zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager zuletzt verringert.

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An den vergangenen Wochenenden gingen sowohl die Befürworter der Abschaffung von Artikel 8 ...

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... als auch die Gegner auf die Straßen Dublins.

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"Abtreibung: Der stille Holocaust", heißt es auf der einen Seite, die einen Schwangerschaftsabbruch mit Völkermord gleichsetzt. "Keep your rosaries off our ovaries", skandiert die andere, die Religion vom weiblichen Körper fernhalten will. Fast jedes Wochenende demonstrierten Befürworter und -gegner des Rechtes auf Abtreibung in den vergangenen Monaten in Dublin. Am Freitag wird es schließlich so weit sein: Die Irinnen und Iren stimmen in einem Referendum über die Streichung von Artikel 8 ab, der dem Fötus dasselbe Lebensrecht wie der schwangeren Frau einräumt.

Irland ist eines der Länder mit den strengsten Abtreibungsgesetzen in der EU: Nur im Fall von unmittelbarer Lebensgefahr für die Schwangere ist eine Abtreibung erlaubt. Vergewaltigung, Inzest, Fehlbildung des Fötus oder Gesundheitsgefährdung der Schwangeren zählen nicht zu den Gründen. Solange das Herz des Fötus schlägt – selbst wenn er nach der Geburt nicht überlebensfähig wäre –, ist ein Schwangerschaftsabbruch verboten. Tausende Irinnen reisen deshalb jedes Jahr zur Abtreibung nach England. In Irland drohen für eine "illegale Abtreibung" der Frau sowie ihrem Arzt oder ihrer Ärztin bis zu 14 Jahre Haft.

Kritik von Uno-Menschenrechtsausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte der Vereinten Nationen bezeichnete Irlands Umgang mit Frauen im Jahr 2016 als "grausam, unmenschlich, erniedrigend" und als Verstoß gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen. Die Regierung wurde aufgefordert, die gesetzliche Regelung zu überarbeiten. Diese wandte sich schließlich vergangenes Jahr an die Bürgerversammlung, deren 99 Mitglieder einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren. Die Versammlung schlug vor, Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche auf Verlangen zu erlauben. Bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren sowie bei fötalen Missbildungen könne die Schwangerschaft auch später abgebrochen werden, wenn die Ärzte zustimmen. Der Vorschlag war zwar nicht bindend, aber die Regierung übernahm ihn.

Zwei dramatische Fälle haben Irland aufgerüttelt: 1992 wurde einer 14-Jährigen, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war, per Gerichtsbeschluss die Ausreise nach England zu einer Abtreibungsklinik verwehrt. Das Höchstgericht hob das Urteil auf: Bei Lebensgefahr für eine Schwangere, und dazu zählten die Richter auch Suizidgefahr, sei ein Schwangerschaftsabbruch in Ordnung. Das Mädchen erlitt allerdings noch zuvor eine Fehlgeburt. Kurz darauf wurde Irinnen erlaubt, für Abtreibungen ins Ausland zu reisen.

2012 starb Savita Halappanavar in der 17. Schwangerschaftswoche an einer Blutvergiftung. Die Ärzte hatten sich zuvor mit Hinweis auf das Abtreibungsverbot geweigert, den nicht lebensfähigen Fötus aus ihrer Gebärmutter zu entfernen. Kurz darauf wurden die Umstände einer legalen Abtreibung konkretisiert – der "Protection of Life During Pregnancy Act" erlaubt eine Abtreibung bei Lebensgefahr für die Schwangere aufgrund von physischer oder psychischer Krankheit oder Suizidgefahr. Innerhalb Europas haben dennoch nur Malta, Andorra und San Marino noch strengere Abtreibungsgesetze.

Knapperes Rennen als zunächst angenommen

In Umfragen liegen die Befürworter einer Streichung von Artikel 8 in Führung – jedoch hat sich ihr Vorsprung in den vergangenen Wochen verringert. In einer Befragung des Senders Sky News vom Montag kam die "Together4yes"-Kampagne auf 47, die Gegner auf 37 Prozent. Die übrigen Befragten waren unentschieden oder wollten sich nicht äußern. Kurz nach Ankündigung des Referendums hatten die Befürworter noch eine Mehrheit von mehr als 60 Prozent gehabt. Irlands Premier Leo Varadkar kündigte an, am Freitag mit Ja stimmen zu wollen.

Nicht nur überraschende Wahlausgänge im Jahr 2016 – wie beim Brexit und der US-Wahl –, sondern auch frühere irische Referenden schüren Skepsis unter den Befürwortern. Bei der Abstimmung über die Ehe für alle im Jahr 2015 hatten die meisten unentschlossenen Wähler schließlich mit Nein gestimmt – die Iren stimmten zwar für die Ehe für alle, aber mit einem geringeren Vorsprung, als die Umfragen vorausgesagt hatten. Mit Spannung wird auch erwartet, welchen Einfluss die Entscheidung von Facebook und Google haben wird, Werbungen zum Referendum zu verbieten beziehungsweise einzuschränken.

Zuletzt erhitzte eine Werbung der anderen Art die Gemüter: In riesigen Buchstaben erschien das Wort "Nein" auf dem Berg Ben Bulben nördlich der Stadt Sligo. Während viele ihre Empörung über den Missbrauch eines Wahrzeichens äußerten, sorgte der Aufruf in den sozialen Netzwerken auch für kreative Ergänzungen.

Nutzer erweiterten den Aufruf etwa um einige Zeilen, womit er dann lautete: "Stimmt mit Ja – Kein Export irischer Frauen mehr für essenzielle Gesundheitsversorgung". Andere zeigten den Liedtext des 90er-Jahre-Hits "No Limit" oder machte klar, auf welcher Seite der Audio-IIllusions-Diskussion um "Yanny oder Laurel" sie stehen.

(Noura Maan, 23.5.2018)