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"Da mich die Bürger der Stadt gewählt haben, ist es meine Aufgabe, ihre Interessen zu vertreten. Dieses Gesetz widerspricht direkt den Interessen Jekaterinburgs", begründete Roisman seinen Abgang.

Foto: AP/Nataliya Vasilyeva

Mit einem letzten lauten Knall hat sich Jewgeni Roisman (vorerst) aus der Politik verabschiedet: "Ich will daran nicht teilhaben und trete hiermit zurück", sagte der 55-Jährige, der zu den bekanntesten Köpfen der russischen Opposition zählt, bei einer Sitzung der Stadt-Duma von Jekaterinburg.

Sein Protest richtet sich gegen die Abschaffung der direkten Bürgermeisterwahl in der Ural-Hauptstadt. Das Regionalparlament hatte die Änderungen auf Anweisung des Gouverneurs beschlossen, am Dienstag sollte das Stadtparlament die entsprechenden Änderungen im Statut absegnen.

Dies wird es nun ohne Roisman tun. Mit seiner letzten Amtshandlung schloss der Politiker nach der Verkündung seines Rücktritts die Sitzung. "Da mich die Bürger der Stadt gewählt haben, ist es meine Aufgabe, ihre Interessen zu vertreten. Dieses Gesetz widerspricht direkt den Interessen Jekaterinburgs und seiner Bürger, aber wir können nichts dagegen tun", begründete Roisman seinen lauten Abgang. Später nannte er die Entscheidung zur Abschaffung der Wahl "Betrug an den Bürgern Jekaterinburgs".

Ins Amt durch Protestbewegung

Roisman ist seit 2013 Bürgermeister der Millionenstadt, immerhin der viertgrößten Stadt Russlands. Ins Amt kam er im Zuge der Protestbewegung, die Russland nach den manipulierten Dumawahlen 2011 erfasste. Als erste Amtshandlung ersetzte er das übliche Putin-Porträt in seinem Büro durch ein Porträt des russischen Dichters Josef Brodsky.

Ein Neuling in der Politik war der Mann mit dem charakteristischen Dreitagebart damals schon lange nicht mehr. Mit seinem kompromisslosen Kampf gegen Drogen hatte er sich nicht nur in Jekaterinburg, sondern im ganzen Land einen Namen gemacht. 2003 gewann er ein Direktmandat in die Duma. 2007 ließ der Kreml dann die Direktmandate abschaffen.

Unterstützer derOpposition

Bei der Präsidentenwahl 2012 unterstützte Roisman dann den liberalen Kandidaten Michail Prochorow, der es damals immerhin auf Rang drei schaffte. Trotz des Wahlsiegs und der Rückkehr von Putin in den Kreml schien sich damals eine Möglichkeit für die Liberalisierung Russlands anzubahnen. Putin selbst machte der Opposition Zugeständnisse, wie die Wiedereinführung der von ihm 2004 abgeschafften Gouverneurswahlen. Ehe die Opposition in den Kreml wolle, solle sie sich auf lokaler und regionaler Ebene beweisen, so der Rat der russischen Führung an ihre Gegner.

Und tatsächlich gelang es damals mehreren oppositionellen Kandidaten, sich in wichtigen Städten zu behaupten. Während Oppositionsführer Alexej Nawalny mit dem zweiten Platz bei der Bürgermeisterwahl in Moskau nur ein Achtungserfolg gelang, besiegte die Opposition in Jaroslawl, Nowosibirsk, Petrosawodsk, Togliatti und Jekaterinburg die Kremlkandidaten.

Nemzow ermordet

Von der damaligen Euphorie ist wenig übrig: Der Bürgermeister von Jaroslawl Jewgeni Urlaschow wurde schon vor Jahren mittels eines dubiosen Korruptionsprozesses entsorgt, Boris Nemzow, der in Jaroslawl ein Abgeordnetenmandat gewonnen hatte, gar ermordet. In Nowosibirsk hat sich der kommunistische Kandidat längst mit der liberalen Opposition entzweit, während in Togliatti und Petrosawodsk die Bürgermeisterwahlen geräuschlos abgeschafft wurden.

Roisman wehrte sich bis zuletzt gegen das gleiche Schicksal. Doch am Ende nützten weder Demonstrationen noch Proteste vor Gericht. Das Argument der Regionalverwaltung für die Wahlabschaffung, Kostenersparnis, erwies sich als unschlagbar. Offensichtlich sind Wahlen in Russland ohnehin ein Auslaufmodell. Die Gouverneurswahlen hat Putin schon wieder eingeschränkt. Und nur noch in zehn russischen Großstädten jedenfalls wird der Bürgermeister direkt gewählt. (André Ballin aus Moskau, 23.5.2018)