Opatija an der Kvarner-Bucht zehrt bis heute von der Ernennung zum k. u. k. Kurort.

Foto: Getty Images/iStockphoto/csakisti

Abbazia oder Opatija: Der Südstrand auf einer alten Ansichtskarte.

Foto: http://data.onb.ac.at/AKON/AK068_401

Der Nostalgiezug Majestic Imperator bringt seine Gäste in den ehemaligen k.u.k.-Kurort Opatija.

Foto: Majestic Train de Luxe GmbH

Palmen und Meer: Als Österreich noch an der Adria lag.

Foto: http://data.onb.ac.at/AKON/AK058_554

Wien, Franz-Josefs-Bahnhof. Geräuschvoll schiebt eine schwarze Lokomotive sieben auf Glanz polierte Wagons zum Bahnsteig drei des Kopfbahnhofs. Es ist Sonntagfrüh, kurz vor acht. Die S-Bahn-Fahrer vom Gleis nebenan reiben sich die Augen. Vor ihnen lebt gerade die K.-u.-k.-Zeit neu auf. Die Lok ist von 1905. An den Fenstern der Wagen sehen sie Rüschengardinen, auf dem Lack prangt in goldenen Lettern "Majestic Imperator" samt Doppeladler.

Eingefahren ist ein Hofsalonzug, in dem Kaiser Franz Joseph, Sisi und andere Majestäten gesessen haben könnten, um sich an die Adria zu verfügen. Heute kann jeder mit dem pompösen Oldtimer reisen und das einstige Reisegefühl nacherleben. Das Ziel ist Opatija, das Abbazia hieß, als es das hippe Seebad der österreich-ungarischen Oberschicht war. Damals lag Österreich noch am Meer.

Nostalgie auf Schienen

Abfahrt 8.20 Uhr. In den Abteilen ist für das Frühstück gedeckt, aus den Lautsprechern perlt der Wiener Walzer. Der kroatische Bordkellner Nikola Psaric ist zu jung, um auch nur irgendeine Meinung zur Donaumonarchie zu haben, aber seine fesche Uniform gefällt ihm. Routiniert schenkt er einen Brut aus dem Burgenland ein, ohne einen Tropfen zu verschütten.

Die pure Nostalgie auf Schienen rattert durch schöne Landschaften, am Verlauf der Mur entlang, entlang der türkis glitzernden Save und der schneebedeckten Karnischen Alpen. Gottfried Rieck, der Erfinder des Kaiserzuges, sitzt auf plüschigem Samtpolster im Salon "Elisabeth". Die holzvertäfelte Stirnwand ist mit einem Stück Originalvorhang aus der Kaiserloge der Wiener Oper dekoriert – mit echten Süßwasserperlen aus der Donau bestickt. An Bord sind K.-u.-k-Originale wie eine Pfeife Franz Josephs und ein Spiegel von Sisi aus ihrem Privatcoupé. Sein ganzer Stolz ist aber die Serviette, die der Kaiser am 7. September 1867 benutzte und die nie gereinigt wurde. Rieck hat sie für 2.000 Euro ersteigert.

Mediterrane Züge

Schon mit fünfzehn war die Eisenbahn seine Leidenschaft. "Vom Kohleschaufler bis zum Bahndirektor habe ich alles gemacht", sagt er. 1991 begann er, historische Wagons aufzukaufen, er rekonstruierte sie nach Originalplänen aus dem Jahr 1891 und stattete sie im Schick der Kaiserzeit aus. Gegen Pomp und Plüsch sei er eigentlich immun, aber es gehöre eben dazu. Die heutige Strecke entspricht weitgehend der damaligen Südbahn, die General-Inspector Friedrich Julius Schüler um 1860 bauen ließ, um in Abbazia den Strandtourismus für die Habsburger-Royals zu entwickeln.

Oleander, Bougainvilleas, Glyzinien. Langsam nimmt die Gegend mediterrane Züge an. "Das Meer!", ruft ein Passagier, als sich der Nostalgiezug der Kvarner-Bucht nähert. Nach zehn Stunden ist Opatija erreicht. Das einst kleine Fischerdorf hatte Kaiser Franz Joseph 1889 zum "k. u. k. Curort" ernannt; er selbst war zweimal hier. Im Eiltempo entwickelte es sich zum mondänen Seebad. Residenzen und Hotels schossen im Belle-Époque-Stil wie Schwammerln aus dem Boden, zuerst das Kvarner, dann das Imperial und das Miramar. Mediziner priesen das gesunde Klima. Die Gäste blieben für zwei, drei Monate.

Neues unter der Patina

Auf dem zwölf Kilometer langen Franz-Joseph-Panoramaweg gelangt man heute ins Zentrum der kroatischen Küstenstadt und zu den Perlen der Grandhotellerie. Nach den Jugoslawienkriegen brach Mitte der 1990er-Jahre wie über Nacht wieder kaiserliches Lebensgefühl aus. Fassaden, Stuckdecken, Goldbalustraden und schweres Gründerzeitmobiliar der ungenutzten, verwahrlosten Hotels wurden stilgerecht aufgemöbelt, zuletzt das Palace Bellevue, das Mozart und das Imperial. Nur das Belvedere steht jetzt noch aus. Fast könnte man glauben, dass die Zeit in Opatija langsamer als anderswo vergeht – oder ganz bewusst angehalten wird. Wien ist fern, aber auf den Tischen der Kaffeehäuser stehen Melange und Sachertorte, die man immer noch auf Deutsch bestellen kann.

"Nostalgie ist unser Segen", sagt Barbara Zrinscak, eine gebürtige Opatijarin, die sich für den örtlichen Tourismus engagiert. Sie hofft, dass man sich auch in zwanzig Jahren noch des historischen Schatzes bewusst ist. Doch allein von der Sehnsucht nach der Vergangenheit kann Opatija nicht leben. So sind zwischen der aufpolierten Bäderarchitektur erste Zeichen der Moderne zu erkennen. Im Yachthafen besetzt das Design-Hotel Bevanda eine Luxuslage am Meer, gleich gegenüber das gläserne Restaurant Molo, das auf Gourmetniveau kocht. Unter der K.-u.-k.-Patina entsteht allmählich etwas Neues. (Beate Schümann, RONDO, 27.5.2018)