Hat Herr Professor Giuseppe Conte seinen Lebenslauf wie ein Student aufgehübscht?

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Eigentlich rechnete man in Rom am Dienstag damit, dass Staatspräsident Sergio Mattarella schon am Vormittag Giuseppe Conte in den Quirinalspalast einladen würde, um den Juristen offiziell mit dem Auftrag zur Bildung einer Regierung auszustatten. Stattdessen rief er die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern zu sich, Conte wurde schließlich erst für 17.30 Uhr geladen. Ein ungewöhnliches Vorgehen, das man ruhig als Zeichen seiner Irritation über den Vorschlag und das Vorgehen der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und der Lega interpretieren kann.

Denn Mattarella hätte es lieber gesehen, wenn einer der Chefs der zukünftigen Regierungsparteien die Verantwortung für die Leitung der Exekutive übernommen hätte – und nicht ein "Technokrat" ohne politische Erfahrung, der sich bloß als ferngesteuerter Befehlsempfänger erweisen könnte.

Zudem dürften Medienberichte über mutmaßliche Schummeleien im Lebenslauf Contes wenig geeignet gewesen sein, die Zweifel des Präsidenten zu zerstreuen. Conte hatte unter anderem angegeben, sich in den Jahren 2008 bis 2012 öfter an der New York University weitergebildet zu haben. Auf Nachfrage der "New York Times" erklärte ein Sprecher der Uni allerdings, dass man dort "keine Person mit diesem Namen" kenne – weder als Student noch als Mitglied der Fakultät. Über Tages- oder Wochenendseminare werde allerdings nicht Buch geführt. Laut "Corriere della Sera" kennt man Conte auch an der Pariser Sorbonne nicht. Ebenso wenig war die Uni in Cambridge laut "Guardian" in der Lage zu bestätigen, dass der Jurist dort in einem Alumni-Verzeichnis aufscheint.

Auch Zweifel in Wien

Auch Wien listet Conte in seinem Curriculum auf und schreibt, dass er dort 1993 am "International Kultur Institut" sein Jusstudium vertieft habe. Dessen korrekter Name lautet allerdings "IKI – Internationales Kulturinstitut", und es bietet ausschließlich Sprachkurse an. Ein Jusstudium kann man dort nicht absolvieren. Das Institut verwies auf Nachfrage des STANDARD auf den Datenschutz und gab keine Auskünfte.

Kein gutes Licht auf Conte wirft auch ein Fall, den er 2013 als Rechtsanwalt übernommen hatte: Damals setzte er vor Gericht durch, dass eine Familie ihr schwerkrankes Kleinkind bei einem später als Betrüger verurteilten Scharlatan behandeln lassen konnte – mit einer damals von Wissenschaftern als unnütz bezeichneten "Stammzellenkur". Das Kind starb 2017. "Es wäre nützlich, wenn Conte sein Verhältnis zur Wissenschaft klären würde, bevor er sich zum Premier vereidigen lässt", ätzte der linke Abgeordnete Michele Anzaldi.

Euro-Gegner soll Finanzen regeln

Mattarella zögerte am Dienstag wohl auch noch aus einem weiteren Grund: Di Maio und Salvini hatten nicht nur Conte als Regierungschef vorgeschlagen, sondern auch Paolo Savona als neuen Wirtschafts- und Finanzminister. Der 81-jährige Ökonom gilt als vehementer Euro-Gegner und hatte schon in den 1990er Jahren, damals als Industrieminister unter dem damaligen Premier Carlo Azeglio Ciampi, gegen den Beitritt Italiens zur Währungsunion opponiert. In den Augen Mattarellas wäre die Besetzung des Schlüsselressorts Wirtschaft und Finanzen mit einem prominenten Euro-Gegner wohl ein falsches Signal.

Di Maio, Salvini und Conte ließen sich von derlei Skepsis aber nicht weiter beirren und trafen sich an einem geheimen Ort, um sich für den Fall vorzubereiten, dass Mattarella doch noch grünes Licht gibt – was aber im Tagesverlauf immer unwahrscheinlicher wurde. (Dominik Straub aus Rom, 23.5.2018)