Den Studienautoren zufolge könnte keine österreichische Stadt eine derartige Dekarbonisierung ohne Hilfe des Bundes finanzieren.

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Wien – Möglich und gut, aber herausfordernd und teuer" – so könnte man die Ergebnisse einer Studie zusammenfassen, die sich mit Möglichkeiten einer kompletten Dekarbonisierung im Großraum Wien bis zum Jahr 2050 beschäftigt. Die vollständige Vermeidung klimaschädlicher CO2-Emissionen, auf die sich die Mehrzahl der UN-Mitgliedsstaaten bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris verständigt hat, würde allein für Wien gezielte Investitionen von 28 Milliarden Euro bis 2050 erfordern.

"Es ist klar, dass wir das allein nicht stemmen können", sagte der Chef von Österreichs größtem regionalen Stromerzeuger Wien Energie, Michael Strebl, dem STANDARD. "Wir brauchen hierfür die Unterstützung von Bund, Stadt und Land."

28 Milliarden bis 2050

Heruntergebrochen bedeutet die vom Kölner Ecofys-Büro errechnete Summe von 28 Milliarden bis zur Jahrhundertmitte Investitionskosten von 850 Millionen Euro pro Jahr. Verglichen mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Stadt Wien von 87 Milliarden Euro folgt daraus, dass knapp ein Prozent des Wiener BIP investiert werden müssten, um eine hundertprozentige Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 zu erreichen. Weil eine Investitionsrate in dieser Größenordnung laut den Studienautoren "für keine Stadt in Österreich finanzierbar ist", müsste eine entsprechende Unterstützung vonseiten des Bundes erfolgen.

Die Mehrkosten von zwölf Milliarden Euro gegenüber der im Juni 2014 im Wiener Gemeinderat beschlossenen Smart-City-Wien-Rahmenstrategie erklären sich durch den ehrgeizigeren Ansatz. "Wir wollten sehen, ob 100 Prozent Dekarbonisierung geht und was das kosten würde", sagte Strebl. Der Smart-City-Wien-Rahmenplan sieht Ausgaben von 16 Milliarden Euro bis 2050 vor, strebt aber zum Beispiel "nur" einen Dekarbonisierungsgrad von 80 Prozent an.

Strebl: "Jetzt haben wir eine Wanderkarte zur Hand, anhand der wir sicher an Unwägbarkeiten vorbei auf alle möglichen Gipfel gelangen können. Auf welchen Gipfel wir konkret gehen sollen, das muss die Politik entscheiden."

Brenn- und Kraftstoffe als Kostentreiber

Den größten Anteil an den Mehrkosten gegenüber dem Smart-City-Szenario stellen erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe dar. Das sogenannte "grüne Gas" soll vornehmlich für den Schwerverkehr herangezogen werden, die Kosten für die Wasserstoffinfrastruktur und Biomethanherstellung belaufen sich laut Studie auf rund acht Milliarden Euro. Das sind um knapp sieben Milliarden mehr als in der Smart-City-Strategie vorgesehen, wo Wasserstoff gar keine Rolle spielt.

Die Investitionen im Bereich Wärme setzen sich aus den Kosten für den Ausbau der Fernwärme, der dezentralen Wärmeversorgung sowie der energetischen Gebäudesanierung zusammen. Letztere macht mit rund 7,5 Milliarden Euro gut die Hälfte der Investitionen im Bereich Wärme aus. Bei der Fernwärme sieht Wien Energie großes Potenzial, heißes Wasser tief im Keller von Wien nutzen zu können. Zusammen mit der OMV und Wissenschaftern werden derzeit seismische Messungen vorgenommen, um das Volumen an heißem Wasser abschätzen zu können. Gerade bei Geothermie sei aber eine Anreizförderung unabdingbar, sagte Strebl.

Hindernisse beseitigen

In Sachen Mobilität, die mit Wärmeversorgung und Stromproduktion als eine Einheit gedacht werden müsse, wurden die künftigen Ausgaben für den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur sowie die Mehrkosten der batterieelektrischen Fahrzeuge modelliert. Der Großteil der Ausgaben für Ladeinfrastruktur fällt bis 2030 an. Laut Strebl gehörten etliche Hürden aus dem Weg geräumt. So müssen derzeit noch 100 Prozent der Eigentümer zustimmen, wenn in einem Mehrparteienhaus jemand an seinem Stellplatz eine Wandladestation errichten will. Strebl: "Da braucht es dringend eine Lösung." (Günther Strobl, 23.5.2018)