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1960 erhielt der 27-jährige Philiph Roth (ganz rechts) den NationalBbook Award für "Goodbye, Columbus". Ebenso ausgezeichnet wurden damals Robert Lowell (ganz links) und Richard Ellmann (Mitte).

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Man würde ja gern behaupten, dass die eindrücklichsten Leseerlebnisse des Lebens andere wären. Die philosophischen Zauberberg-Dialoge etwa. Wundervoll. Karl May. Asterix. Die Marquise von O, aber auf Porno. Oder das Buch, in dem Adalbert Stifter vor die Haustür tritt und auf dem Weg zum Gartentor 80 Seiten verstreichen lässt, bevor vor ihm unvermutet eine Nacktschnecke seinen Weg kreuzt.

Man erinnert sich auch an diverse Shakespeare-Zitate in "Raumschiff Enterprise" oder an den heute weitgehend vergessenen oberösterreichischen Schriftsteller Alois Brandstetter, der gemeinsam mit seinen lastentragenden Briefträgern weitgehend in Vergessenheit geraten ist, obwohl ihn der Deutschprofessor im Gymnasium so gern mochte.

Muttermonster, Monstermutter

Allerdings kam irgendwann vor der Matura die Sache mit dem Sonntagsbraten und Philip Roth. Einer der tatsächlichen Höhepunkte in Roths 1969 erschienenem damaligem Skandalroman "Portnoys Beschwerden" ist und bleibt ja nicht nur die epochenprägende Schilderung seiner jüdischen Monstermutter. Dieses seitdem auf der ganzen Welt allgemein gültige Muttermonster ist in den letzten 50 Jahren immerhin zu einer fixen, geradezu ikonografischen Größe in Sachen Verhinderin und Verhunzerin eines halbwegs neurosenfreien Lebens von jungen Männern geworden, die nicht rechtzeitig von zu Hause flüchten können. Zweck der Übung: Wer seine Kinder liebt, der macht sie fertig. Aber so richtig.

Sex, lustvoll depressiv beschrieben

Titelheld Alexander Portnoy fühlt sich in seinem Leben derart mütterlich umsorgt und umwölbt und erdrückt, dass er vor lauter Sehnsucht nach tatsächlicher Liebe nicht nur aus reiner verzweifelter Geilheit nach dem großen Mehr öffentlich onaniert, sondern zum Höhepunkt des Romans auch noch die für das Sonntagsessen vorgesehene Rindsleber fickt. Das ist so lustig und gleichzeitig traurig, dass man aus lauter Ergriffenheit in diesen großen, mit einem langgezogenen Klageschrei endenden Roman hineinkriechen möchte.

Niemand konnte über Sex und vor allem auch über bei aller Notgeilheit niederschmetternden Sex so lustvoll depressiv schreiben wie Philip Roth. Es ist allerdings eine streng heteronormative, männliche Sicht auf Sex. Frauen konnte Philip Roth nicht so gut. Es gibt ja auch einen Schlüssellochroman über seine vermurkste Ehe. Im Murksen war Roth Weltmeister. Trotzdem, danke. (Christian Schachinger, 23.5.2018)