Die neue Regionalwährung in Paris: la Pêches.

Foto: Stefan Brändle

Sie heißt "la pêche" (Pfirsich), ist aber so flach wie ein Geldschein. Kein Wunder: Sie ist ein Geldschein, erhältlich in Noten von einer Pêche, von zwei, fünf bis 200 Pêches. Die Rede ist vom neuesten Zahlungsmittel in Paris. Denn die französische Hauptstadt hat seit vergangenem Samstag ihre eigene Währung. "Ich habe einen richtigen Geldschrank", lacht Johann Cunin, Optiker in Montreuil, und öffnet eine kleine Tragekasse, in der mehrere dünne Bündel Pêche-Scheine liegen. "Vorläufig setzen wir noch nicht viel in unserer Währung um", gibt der junge Franzose zu. "Jüngst aber kauften zwei Damen zwei Brillengestelle für insgesamt 270 Pêches." Umgerechnet 270 Euro: Das Neugeld wird im Euroraum im Verhältnis von eins zu eins umgewechselt.

An diesem Nachmittag ziehen es alle Kunden Cunins vor, in Euro zu zahlen. In dem östlich an Paris anschließenden, grün-rot regierten Vorort führen indes immer mehr Geschäfte und Restaurants die Pêche als Komplementärwährung ein, wie ein Symbol an den Schaufenstern zeigt. Vergangenes Wochenende hat die Lokalwährung zudem offiziell den Sprung über die Ringautobahn um Paris vollzogen und in der Lichterstadt selbst Fuß gefasst. Die Nachfrage ist groß. 15 Pariser Adressen akzeptieren von Beginn weg das Regionalgeld, das nach einer historischen, einst bis an den Königshof Versailles bekannten Pfirsichpflanzung in Montreuil benannt ist.

"Energieschub" für Region

"La pêche" bedeute aber auch "Elan" oder "Energieschub", präzisiert Brigitte Abel vom Förderverein. Mit ebenso viel Schwung erzählt die Raumplanerin, was dieses Regiogeld soll. "Weltweit verlaufen 95 Prozent der Finanzflüsse außerhalb der Lokalwirtschaft, womit sie potenziell der Gewinnsucht, Geldwäsche oder Finanzflucht unterworfen sind. Die Pêche versucht die lokale Wertschöpfungskette zu fördern, indem sie den spekulationsfreien und nachhaltigen Austausch zwischen Kleingewerbe, Vereinen oder Kulturstätten entwickelt."

Oder wie die Rückseite der Geldscheine verkündet: "lokal, solidarisch, ökologisch, bürgernah". Klingt gut – aber ist dafür gleich eine neue Währung nötig? "Es ist ja nur eine Parallelwährung neben dem Euro", präzisiert Abel.

Die Stadtregierung von Paris hat ihre administrative Unterstützung zugesagt. Bei der offiziellen Lancierung der Pêche am 12. Mai war Bürgermeisterin Anne Hidalgo allerdings nicht zugegen. "Wir wollen in jeder Hinsicht unabhängig bleiben, auch politisch", erklärte Festredner Jean-Sébastien Rembert, einer der Initiatoren, hauptberuflich bei einer großen Pariser Geschäftsbank tätig. Dass die Pêche über die Euro-Koppelung auch ein Spielball der globalen Finanzentwicklung werden könnte, glaubt er nicht: "Wir wollen ja gerade ein lokal abgestütztes System aufbauen, das gegen äußere Finanzwirren gefeit ist." Was aber, wenn der Kurs des Euro einbrechen würde? "Natürlich würde sich die Krise inklusive Inflation auf die Pêche übertragen – aber nur, solange diese noch weniger verbreitet ist als der Euro", räumt der Finanzberater ein. "Je mehr Leute lokal mit der Pêche bezahlen, desto eher entsteht ein Gebiet, das sich gegen internationale Finanzabläufe oder -stürme behaupten könnte."

Start mit 200.000 Pêches

Davon ist die Pariser Lokalwährung aber noch weit entfernt. Zum Start hat der Trägerverein 200.000 Pêches herausgegeben, verbunden mit einer Unkostenabgabe von drei Prozent. Das Nachdrucken der relativ einfachen Scheine – mit halbwegs fälschungssicheren Glitzerzonen und QR-Codes – stelle aber kein Problem dar.

In Frankreich sprießen die Lokalwährungen noch in ganz anderen, eher unwirtlichen Agrargegenden. Rund 40 Lokalwährungen gibt es im Land bereits, bedeutend mehr als in Österreich. Sie tragen regionale Bezeichnungen wie "Pyrenäe" im Süden oder "Rollon" in der Normandie, oft auch schlichte Namen wie "Sardine" oder "Biene". Wenn Biobauern und Dorfbäcker zusammen ein Ortsgeld schaffen, verbindet sich die Kapitalismuskritik mit dem Schutz des heimischen Savoir-vivre.

Konjunktur haben Regionalgelder in Frankreich seit 2014, als der damalige Präsident François Hollande ein Gesetz für die "soziale und solidarische Wirtschaft" verabschiedete. Es regelt neben der Finanzierung von Genossenschaften, ethisch motivierten Subventionen oder Fairtrade-Ketten auch die Schaffung von Lokalwährungen. In der Stadt Boulogne können Einwohner seither öffentliche Güter (lokale Bustickets) erwerben. Das ist erst der Anfang für die jungen Gelder, die sich nicht gegen den Euro richten, sich aber als Alternative dazu verstehen. (Stefan Brändle aus Montreuil, 24.5.2018)