Charles Leclerc ist gebürtiger Monegasse, was am Sonntag im Grand Prix von Monaco nicht zwingend ein Vorteil sein muss.

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Seine Anreise ist kurz, die allgemeine Aufregung groß. In Charles Leclerc nimmt am Sonntag (15.10, ORF 1) der erste gebürtige Monegasse seit 24 Jahren den Grand Prix von Monaco in Angriff. Und im Unterschied zu seinen beiden Vorgängern Louis Chiron (1955) und Olivier Beretta (1994), die keine großen Spuren in der Formel 1 hinterließen, dürfte der 21-Jährige in der Königsklasse Karriere machen.

Gebürtige Monegassen gibt es nicht viele. Freundlich gerechnet kommen pro Jahr nur 257 zu dem schwachen Viertel der rund 39.000 Einwohner des Fürstentums dazu, das sich einheimisch nennt und Privilegien wie staatlichen Wohnraum genießt.

Karriere am seidenen Faden

Schon den ganz kleinen Charles Leclerc juckte der Gasfuß, als die Boliden einmal pro Jahr am elterlichen Appartement vorbeirasten. Seine Großeltern waren Plastikproduzenten, doch der Betrieb schlitterte 2010 in finanzielle Probleme, und Charles, ein äußerst vielversprechender Nachwuchspilot, hätte mit dem Motorsport aufhören müssen, wäre nicht die Familie seines deutlich älteren Konkurrenten Jules Bianchi gewesen. Dessen Vater Philippe stützte Leclerc, der es mit aufsehenerregenden Erfolgen im Kartsport (Vizeweltmeister hinter Max Verstappen) und in verschiedenen Formel-Serien dankte.

Der Tod Jules Bianchis infolge eines Unfalls beim Grand Prix von Japan in Suzuka im Oktober 2014 konfrontierte Leclerc früh mit den Abgründen des Geschäfts, bremste ihn aber nicht. 2016 gewann er die GP3-Serie und wurde ins Förderprogramm der Scuderia Ferrari aufgenommen. Im Jahr darauf folgte der Triumph in der Formel-2-Meisterschaft, dem natürlichen Sprungbrett für die Formel 1 – als bisher jüngster Pilot und erst vierter Rookie nach Lewis Hamilton, Nico Hülkenberg und Nico Rosberg.

Formel-1-Debüt im März in Melbourne

Im vom Ferrari-Motor angetriebenen Alfa Romeo Sauber debütierte Charles Leclerc am 25. März dieses Jahres in Melbourne in der Formel 1. In Baku (Sechster) und zuletzt in Barcelona (Zehnter) holte er insgesamt schon mehr Punkte, als die Schweizer in den beiden Saisonen davor hatten einfahren können. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen für das Heimrennen, obwohl die beiden F2-Versuche im Vorjahr in Ausfällen geendet haben.

Vorteile aufgrund seiner Streckenkenntnis erwartet Leclerc nicht: "Ich kenne die Stadt wirklich gut. Aber es wird eine komplett neue Erfahrung für mich sein, die Straßen von Monte Carlo in einem Formel-1-Cockpit zu erleben", sagte der, nun ja, Gastgeber vor dem Monaco-Wochenende. Eher droht bremsende Aufregung: "Seit meiner Kindheit träume ich davon, eines Tages hier teilzunehmen – es ist ein unglaubliches Gefühl, dieses Ziel nun erreicht zu haben", sagte er vor dem ersten Training, das im Fürstentum wie gewohnt schon am Donnerstag in Szene geht, weil der Freitag traditionellerweise trainingsfrei ist.

Künftige Alternative bei Ferrari

Freunde und Familie werden dabei sein, wenn Charles Leclerc das Wochenende mit seinen Unwägbarkeiten in Angriff nimmt. Noch genauer sollen sie bei Ferrari hinschauen, gilt doch der junge Mann als künftiger Pilot der Scuderia, die nach Sebastian Vettels beiden Siegen zu Saisonbeginn außer Tritt und gegenüber Mercedes ins Hintertreffen geraten ist. Ins Duell mengt sich mit Macht Red Bull, das in Monaco seinen 250. GP bestreitet. Geht alles glatt, sind die ersten fünf, sechs Plätze im Klassement selbst für ein Ausnahmetalent wie Charles Leclerc außer Reichweite.

Allerdings pflegt in Monaco selten alles glattzugehen. Angekündigte Niederschläge machen den "Hubschrauberflug im Wohnzimmer" (Nelson Piquet) noch unberechenbarer. Es muss ja nicht enden wie 1996, als nur drei Piloten, angeführt vom Franzosen Olivier Panis, das Ziel sahen. Charles Leclerc: "Es wird auf jeden Fall ein Wochenende, das ich nie vergessen werde." (APA, sid, lü, 23.5.2018)