Die Danube Flats in Wien-Kaisermühlen, derzeit noch ein Projekt, sind ein erstes Beispiel für den Einsatz städtebaulicher Verträge.

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Welche rechtlichen Gemeinsamkeiten verbinden 96 Gemeinden in Vorarlberg mit der Bundeshauptstadt? Nein, keine gesetzlichen Angleichungen von Kaiserschmarrn mit Funkaküachle: In beiden Bundesländern wird eine "moderne" Raumplanungsgesetzgebung vorbereitet – in Wien die Novelle zur Bauordnung, in Vorarlberg das Zwillingspaar Raumplanungs- und Grundverkehrsgesetz. Beides wird in den anderen Ländern genau beobachtet.

Alle drei Entwürfe zu den Gesetzesnovellen wurden im April in Pressekonferenzen vorgestellt, die Gesetzestexte in interne Begutachtungen geschickt; derzeit sind nur die Pressetexte offiziell bekannt. Diese lassen nicht nur bei Juristen, Raumplanern und Immobilienentwicklern vielfältige Interpretationsspielräume zu. Beide Länder hatten sich in ähnlich klingenden Ankündigungen leistbares Wohnen und Ressourcenschonung auf die Länderfahnen geheftet – und als modernes Instrument zur Durchsetzung das privatrechtliche Instrument der Vertragsraumplanung, in Wien städtebauliche Verträge genannt. Das sind Ziele, die auch die anderen Länder verfolgen und deren landesgesetzlichen Rahmen in Fachkreisen mehr oder weniger effizient diskutiert werden.

Anlegen in "Betongold"

Hintergrund dieser Debatte sind die steigenden Grundstückpreise, zu denen auch private Anleger und institutionelle Investoren, die auch wegen niedriger Bankzinsen in "Betongold" investieren, einiges beitragen. Dadurch bleibt für den Eigenbedarf, gemeinnützigen Wohnbau oder soziale Einrichtungen vielerorts nur noch ein sehr beschränktes Angebot.

Zusätzlich sind geeignete Bauflächen oft nicht verkäuflich. Baulücken oder sinnvolle Erweiterungsgebiete bleiben ungenutzt liegen, vorhandene Infrastrukturen können nicht effizient genutzt werden, stattdessen werden zusätzliche Investitionen für weiter abgelegene Bauflächen erforderlich. Gerade in Wien und Vorarlberg verschärft das Bevölkerungswachstum den Bedarf von Wohnraum. Schließlich entflammen auch wieder Diskussionen um bundeseinheitliche Grundsatzregelungen für die Raumplanung wie in der Schweiz oder Deutschland. Was sollen Länder und Gemeinden tun?

Gesetzliche Enteignung, Bauzwang oder großzügige Ausweisungen, bis das Flächenangebot die Nachfrage erfüllt, sind weder realistisch noch anzuraten. Einen Ausweg bietet die Vertragsraumplanung. Sie ist keine österreichische Erfindung, sondern ein auch in Nachbarländern mehr oder weniger erfolgreich angewandtes Instrument.

Gemeinden und Projektwerber verhandeln dabei nicht hoheitsrechtlich, sondern privatrechtlich Ergänzungen zum Flächenwidmungsplan, zum Beispiel Bebauungsfristen oder Modalitäten zur Nutzung, wie konkrete Infrastrukturkostenanteile für Immobilienprojekte. Im Gegensatz zum öffentlichem Recht kann hier alles verhandelt werden, das erlaubt ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt.

Umstritten ist dabei die fehlende Transparenz solcher Verhandlungen sowie die Frage der Kosten für die Entwickler, in Wien vor allem vereinbarte Leistungserbringungen wie die Gestaltung von Freiflächen oder Errichtung öffentlicher Einrichtungen.

Idealerweise sollten diese Kosten im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes im Vorhinein vergleichbar abgeschätzt werden können, dafür fehlen uns – noch – die Modelle. Dieses Manko wird bei den aktuellen Gesetzesnovellierungen leider noch unterschätzt, denn umso klarer die Grundlagen sind, umso besser wird dem alten Rechtssprichwort begegnet: "Sobald Gesetz ersonnen, wird Betrug begonnen."

Erfahrungen der Nachbarn

Bei Expertendialogen, die anlässlich der Gesetzesnovellen in Vorarlberg und Wien stattgefunden haben, wurden in interdisziplinärer Zusammensetzung von Raumplanung, Immobilienentwicklung, privater Vertragsgestaltung, öffentlichem Recht unter anderem verschiedenste Vor- und Nachteile von theoretischen oder bereits praktizierten Lösungsmodellen über Beispiele aus der Schweiz und Deutschland bis zu anonymisierten Erfahrungsberichten ausgetauscht. Dabei haben sich drei zentrale Fragen herauskristallisiert, denen im Sinne der Optimierung dieses Instruments in allen Bundesländern besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte.

Dazu wurden hier zwei der führenden Rechtsanwälte auf diesem Gebiet befragt, Stefan Lampert, Rechtsanwalt bei Wolf Theiss, und Michael Hecht, Partner bei Fellner Wratzfeld und Partner.

STANDARD: Privatrechtliche Verträge sind a priori nicht öffentlich, umgekehrt sind diese im Gemeinderat zu beschließen – also doch nur "sozusagen privat". Wie kann dieser Widerspruch gelöst werden?

Lampert: Obwohl es sich um privatwirtschaftliche Maßnahmen der Gemeinde handelt, sollten zumindest – vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung – die Eckdaten einer abgeschlossenen privatwirtschaftlichen Maßnahme der Gemeinde veröffentlicht werden.

Hecht: Bei den neueren städtebaulichen Verträgen einigt man sich im Vertrag selbst darauf, welche Teile des Vertrages veröffentlicht werden dürfen. Man darf nicht vergessen, dass es neben dem Gebot der Transparenz und der Überprüfbarkeit auch ein Gebot gibt, Interessen des privaten Partners vertraulich zu behandeln – wie in jedem anderen Vertrag auch. Außerdem fordert ein "Zuviel" an Kommunikation stets auch Kritiker und Gegner aller Art geradezu heraus, verschiedene Rechtsbehelfe zu versuchen.

STANDARD: Solange auf keine anerkannten Bewertungsmodelle zurückgegriffen werden kann, ist weder für den Liegenschaftsinteressenten noch die Behörde ein Abschätzen der Kosten möglich. Was empfehlen Sie?

Hecht: Natürlich gibt es "Richtgrößen" aus verschiedenen Verträgen, die einen Anhaltspunkt dafür geben, wie hoch im konkreten Fall die Belastung je Quadratmeter sein könnte. Vor konkreten Verhandlungen mit der Gemeinde ist jedenfalls wesentlich, dass der Projektwerber für sich selbst eine "Schattenrechnung" macht, welche (nicht durch Gebühren abgedeckte) Infrastrukturkosten sein Projekt tatsächlich auslösen könnte, welche Maßnahmen eines Raumplanungsvertrages auch werterhöhend für das eigene Projekt sein könnten und vor allem welche Investitionen für "leistbares Wohnen" sein Projekt wirtschaftlich verträgt.

Lampert: Die im Gesetz verankerten privatwirtschaftlichen Maßnahmen sollten keinesfalls von der Gemeinde dazu genutzt werden, um überzogene zusätzliche Maßnahmen vom Grundstückseigentümer einzufordern, wie etwa versteckte Infrastrukturabgaben oder gar sittenwidrige Verträge.

STANDARD: Privatrecht erlaubt Behörde und "privater Partei" "alles, was nicht verboten ist oder gegen die guten Sitten verstößt". Wie können für beide Seiten die Gefahren für zeit- und kostenintensive Streitfälle minimiert werden?

Lampert: Die Einführung einer übergemeindlich agierenden, fachlich kompetenten Schlichtungsstelle wäre jedenfalls zu überlegen, um Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern (vorab) auszuräumen.

Hecht: Möglich wäre etwa eine Schiedsklausel in den Verträgen, die aber natürlich auch nicht per se streitvermeidend wirkt, sondern nur beschleunigend und den Öffentlichkeitsfaktor reduziert. Essenziell wäre natürlich eine unabhängige "Fairness Opinion" zu den durch ein Projekt ausgelösten Infrastrukturkosten und den Faktoren, die für die Bemessung des Anteils an den Infrastrukturkosten herangezogen werden, beispielsweise unterschiedliche Intensität des Beitrags zur Erreichung von Planungszielen oder der Mehrwert für die Öffentlichkeit außerhalb des Projekts. (Evelyn Susanne Ernst-Kirchmayr, 24.5.2018)