Die Lage im ostukrainischen Donbass-Gebiet spitzt sich dramatisch zu: Es gibt jetzt wieder täglich neue Todesopfer in dem Konflikt. Wie genau es zur Eskalation kam, ist unklar: Beide Seiten geben Erfolgsmeldungen heraus und beschuldigen die jeweilige Gegenpartei des Verstoßes gegen das Minsker Abkommen. Separatisten sprachen Mittwoch von elf Verstößen gegen die Waffenruhe an einem Tag, darunter auch mit großkalibrigen Waffen. Die Ukraine macht spiegelverkehrte Angaben. Demnach haben die Separatisten 49-mal die Waffenruhe verletzt. Auch hier soll Artillerie eingesetzt worden sein.

Die OSZE-Beobachter in der Region hatten bereits am Montag 7.700 Verstöße gegen die Feuerpause innerhalb einer Woche gemeldet. "Ich rufe beide Seiten nachdrücklich dazu auf, in Übereinstimmung mit den von ihnen übernommenen Verpflichtungen schnellstens die Kampfhandlungen einzustellen und alles Mögliche zum Schutz der Zivilbevölkerung, der Reparatur und dem Funktionieren der zivilen Infrastruktur zu tun", sagte der OSZE-Sondergesandte Martin Sajdik. Er forderte zudem, die Arbeit der Beobachtermission zu unterstützen.

Umkämpfte Höhenzüge

Die Aufrufe verhallen ungehört: Besonders heftig wird um die Außenbezirke der strategisch wichtigen Großstadt Horliwka gekämpft, die unter Kontrolle der Separatisten steht. Russische Medien sprechen von einem Versuch des ukrainischen Militärs, die Höhenzüge im Osten der Stadt einzunehmen, um anschließend Horliwka bequem unter Beschuss und einnehmen zu können und somit einen "Galgenstrick um Donezk" zu legen.

Fußball-WM als Hintergrund

Ob es sich tatsächlich um ein strategisches Manöver handelt, ist unklar. Klar ist hingegen, dass es um mehr als das übliche Geplänkel geht. Beide Seiten spekulieren daher über einen Bezug der Gefechte zu der bevorstehenden Fußball-WM in Russland. Laut den Separatisten versucht sich die ukrainische Armee in Stellung zu bringen, um während der WM losschlagen zu können. "Historisch betrachtet gab es vor dem Hintergrund großer Sportereignisse schon militärische Ausbrüche", sagte der Pressesprecher der Separatistenmilizen Eduard Bassurin und wies auf den Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi hin. Kiew setze darauf, dass Russland aus Imagegründen während der WM nicht eingreife.

Die Fußballlogik funktioniert aber auch aus ukrainischer Argumentation. Nach den Olympischen Spielen hat sich Russland nämlich mit militärischen Mitteln die Krim gegriffen. In Kiew wird daher die Befürchtung ausgesprochen, dass sich die Separatisten mit den neuen Kämpfen nur in die Ausgangsstellung für eine größere Offensive nach der Weltmeisterschaft bringen wollen. (André Ballin aus Moskau, 23.8.2018)