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Präsident Macron (links) wird von Präsident Juncker aus dem Defizitverfahren entlassen.

Foto: REUTERS/VINCENT KESSLER

Frankreich hat die Drei-Prozent-Schwelle erstmals seit 2007 unterschritten: Das Haushaltsdefizit ist 2017 auf 2,6 Prozent gesunken. Für heuer rechnet die EU-Kommission zudem mit einem Fehlbetrag von 2,3 Prozent. Damit könne das Kriterium zweier aufeinanderfolgender Jahre ohne "übermäßiges Defizit" als erfüllt betrachtet werden, sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici.

Moscovici, bis 2014 selbst Wirtschaftsminister in Paris, hatte sich schon vor einigen Tagen über "zehn Jahre Anstrengungen für den Wiederaufschwung" gefreut. Die Empfehlung der EU-Kommission muss noch vom Rat aller Finanzminister abgesegnet werden. Frankreich dürfte den unliebsamen Kontrollstatus im Juli abschütteln. Damit verließe eines der letzten EU-Länder den Status der Überwachung. Spanien könnte kommendes Jahr folgen.

Warnung an Italien

Für Emmanuel Macron ist der Erfolg politisch bedeutsam: Der französische Präsident kann nun gegenüber der deutschen Kanzlerin Angela Merkel selbstbewusster auftreten – namentlich mit seiner Forderung nach Einführung eines Euro-Budgets mit eigenem Finanzminister. Am Montag erging eine Warnung an die neue italienische Regierung: Wenn Rom seine Verpflichtungen in Sachen Staatsschuld, Defizit und Banksicherheiten nicht einhalte, sei "die finanzielle Stabilität der Eurozone gefährdet", meinte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire; "es gibt Regeln, die befolgt werden müssen".

Kaum erwähnt wird in Paris oder Brüssel eine wirtschaftlich gewichtige Folge der Kontrollaufhebung durch die EU: Macron kann nun eine wenig bekannte Bestimmung des EU-Stabilitätspaktes aktivieren, die es ihm indirekt erlaubt, die von seinem Vorgänger François Hollande eingeführte Unternehmenshilfe (CICE) im Umfang von 24 Milliarden Euro für seine eigene Wirtschaftspolitik zu verwenden. Stünde Frankreich noch unter Beobachtung, wäre ihm diese Maßnahme verwehrt geblieben.

Finanzspritze für Wirtschaft

Die französische Wirtschaft braucht diese Finanzspritze dringend. Das Ende der EU-Defizitkontrolle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone noch keineswegs rundläuft. Wenn das Budgetdefizit gesunken ist, dann nicht wegen Macrons Reformen, sondern wegen der Stimulierung durch die Außenkonjunktur, was in Frankreich mehr Geld in die Staatskasse spült. Für sich gerechnet sind die Staatsausgaben in Frankreich auch 2017 erneut gestiegen, wie der Rechnungshof in Paris unlängst festgehalten hat. Die EU-Kommission geht sogar davon aus, dass das französische Haushaltsdefizit 2019 erneut auf 2,8 Prozent steigen und sich wieder gefährlich der Drei-Prozent-Schwelle nähern dürfte. Insofern kann Macron froh sein, dass Moscovici ihn aus der Beobachtung entlässt.

Hoch bleiben in Frankreich auch das Handelsdefizit von 62,3 Milliarden Euro, die Staatsschuld von 2200 Milliarden (96 Prozent des BIP) und die ebenso massive Steuer- und Abgabenquote von 46 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist auf unter zehn Prozent gesunken. Die labile französische Wirtschaft käme in einer neuen Eurokrise zweifellos unter die Räder. Allein schon eine Zinserhöhung würde den Schuldendienst so verteuern, dass der zarte Aufschwung seit Macrons Amtsantritt wieder zum Erliegen käme. (Stefan Brändle aus Paris, 24.5.2018)