Wir sind per Bahn angereist und hatten so das Vergnügen Interrail-Flair von vor über 30 Jahren zu genießen. Auf die Frage nach Bettwäsche im kroatischen Liegewagen wurde uns vom lachenden Schaffner ein lapidares "No sheets!" entgegnet. Dafür bot er vollen Körpereinsatz auf, als es darum ging die Liegen im Abteil zu fixieren. Denn diese waren widerspenstig und nur mit etlichen Fußtritten in Position zu bringen.

Foto: Reinhilde Becker

Statt Hitze und Zikadenzirpen, Trockensteinmauern, Blütenpracht und eifrige Hummeln. Der Frühling an Kroatiens Adriaküste beglückt die Wanderer.

Foto: Reinhilde Becker

Ein Wort zu den Orchideen: Die hier verbreiteten Wildformen sind nicht höher als 15 Zentimeter und haben kleine, originelle Blüten. Vor allem die Ragwurze tun sich da hervor. Denn sie imitieren mit dem untersten meist bräunlichen, fein ziselierten Blütenblatt ein Insektenweibchen und verströmen je nach Art ein Bienen- oder Spinnenmännchen anlockendes Pheromon. Will sich der so getäuschte Bewerber nun paaren, kriegt er nur eine Ladung Pollen ab, die er zur nächsten Ragwurz weiterträgt.

Foto: Reinhilde Becker

Eine Katze mit nur einem Auge und mehreren wohlgenährten Zecken im Gesicht ist unser Gast, verzehrt ihre Käsestücke aber diskret einige Meter von unserem Essplatz entfernt.

Foto: Reinhilde Becker

Wirklich schön, weil komplett unverbaut, ist die Bucht von Samograd (etwas westlich von Račišće).

Foto: Reinhilde Becker

Die engen Gassen lassen sich wunderbar erkunden.

Foto: Reinhilde Becker

Wir werden von einem Spaniel begleitet. Es ist nämlich so, dass es in Kroatien in fast jedem Ort einen Hund gibt, der zwar irgendjemandem gehört, aber dennoch ein sehr selbstständiges Leben führt.

Foto: Reinhilde Becker

Lumbarda, ein Ort mit Sandstrand, was in Kroatien eine Seltenheit darstellt.

Foto: Reinhilde Becker

Stehengebliebene Zeit: Zu erleben abseits der touristischen Zentren, wie hier in Žrnovo, dem östlichsten der fünf ursprünglichen Orte im Inselinneren.

Foto: Reinhilde Becker

Das Korčula Spring Food & Wine Festival mit seinen vielfältigen lokalen Spezialitäten, war in dieser Hinsicht ein kulinarischer Lotto-Sechser. Den Grk – weiß oder rosé – gibt es nur auf Korčula.

Foto: Reinhilde Becker

Ich bin Dalmatienfan. Mittelmeer, Strandkiefern und der grau-beige Kalkstein, aus dem die Küsten, die Trockensteinmauern und die Orte selbst bestehen, bilden meine ideale Landschaft – im Sommer durchaus karg, begleitet von Harzduft, Zikadenzirpen und vor allem Hitze. Doch die trockenen Gräser und Fruchtstände überall verheißen frisches Grün und artenreiche Blumenwiesen im Frühling.

Diesen zu erleben hat sich unsere kleine Reisegruppe nach Korčula aufgemacht und sich dafür inclusive Anreise eine knappe Woche Zeit genommen. April und Mai sind gute Monate für eine Inselwanderung. Starker Regen ist die Ausnahme. Um sicher zu gehen, dass das Wetter hält, lassen sich um diese Jahreszeit sowohl die Anreise als auch die Quartiere sehr kurzfristig buchen. Dennoch ist eine sorgfältige Planung notwendig. Auf Korčula gibt es nämlich keine Nebensaison, für die sich ein Reiseanbieter zuständig fühlt. Das hat aber auch seine Vorteile. Man hat die Insel wirklich für sich – in all ihrer Ruhe und mit viel unberührter Natur.

Dauerndes Auf und Ab

Korčula ist knapp 47 Kilometer lang, acht Kilometer breit und erstreckt sich von West nach Ost. Die Landschaft ist geprägt von Macchie und waldigen Hügeln. Der höchste ist 568 Meter hoch. Für Wanderer bedeutet das ein dauerndes Auf und Ab.

Unsere Wanderung startet ganz im Westen Korčulas. Um 14 Uhr läuft die Fähre aus Split in Vela Luka ein. "Großer Hafen", so die deutsche Übersetzung des Ortsnamens, bezieht sich aber nicht auf die Stadt selbst, sondern auf die Topographie der tiefen Bucht, an der das ehemalige Fischerdorf liegt.

Blumenversprechen eingelöst

Gleich zu Beginn geht es steil bergauf. Der Einstieg zur Wanderung ist leicht zu finden. Unweit der Schule folgen wir der Markierung durchs Gassengewirr zur Vela Spilja. Die "große Höhle" stellt mit ihren prähistorische Funden eine Besonderheit im südöstlichen Mittelmeerraum dar. Über 20.000 Jahre sind die hier entdeckten ältesten Hinweise auf Menschen.

Dem asphaltierten Weg folgend geht es zur nördlichen Küste. Ein Pfeil Richtung Stiniva weist die Richtung. Die Route verläuft ca. 100 Meter über dem Meer. Hier am Wegesrand wird auch schon das Blumenversprechen des vergangenen Sommers aufs bunteste eingelöst. Hebt man den Blick, hat man linker Hand freie Sicht aufs Meer und die steinige Südseite von Hvar, rechts gibt es zuerst Oliven und ein paar Häuser, dann Wald zu beiden Seiten.

Orchideen am Wegesrand

So geht es ca. 13 Kilometer weiter bis zu unserem Tagesziel: Prigradica. Man kann diesen Ort zu Recht als abgelegen bezeichnen. Der Wald reicht bis an die Häuser heran, nur wenige Boote ankern im Hafen, Gebäude stehen leer, aber es gibt einen Basketballplatz und die riesige Hafenmauer, auf der wir Bier trinken und Cracker knabbern. Die Konoba öffnet nämlich erst in ein paar Wochen. Einer der beiden Basketballspieler weist uns den Weg zur Vermieterin, die elfjährige Enkelin dolmetscht. Englisch ist die Sprache, mit der man sich überall, zumindest rudimentär, verständigen kann.

Am nächsten Morgen heißes Wasser und Cracker als Frühstück. Nach dem Einkauf (Wasservorräte, Tagesproviant) startet die neue Etappe. Sobald wir den Ort verlassen haben, begegnet uns kein Mensch mehr. Am Vormittag trotten wir auf Asphalt entlang, der aber immer wieder von riesigen Kiefern beschattet wird. Am Wegesrand fallen uns die ersten Orchideen auf, von denen wir noch so viele entdecken werden, dass wir unsere Reise intern eine Orchideenwanderung nennen.

Zwitschernde Macchie

Die Mittagsrast halten wir in Babina, einem ehemaligen Fischerdorf, das sich zur Sommertouristensiedlung ausgewachsen hat, aber immer noch sehr klein ist und um diese Jahreszeit menschenleer. Steil bergab geht es zum Strand in den Schatten von Tamarisken. In Babina endet die Asphaltstraße, doch der Weg geht weiter – ca. 50 Meter über dem Dorf.

Dank Google Maps finden wir Treppen zwischen zwei Häusern, die nicht in Privatgärten führen, sondern diese Geländestufe überwinden. Oben ein steiniger Pfad mit Blumen mitten am Weg. Kein Wald mehr sondern blühende, duftende und zwitschernde Macchie. Immer wieder schauen wir zurück auf die Küstenlinie und damit auf die Strecke, die wir heute zurückgelegt haben. Am Abend werden es 25 Kilometer sein.

Wandernde Exoten

Doch vorher steigen wir in eine Bucht ab, um zu rasten und zu baden: Uvala Samograd ist eine Kiesbucht, die dramatisch von einer senkrechten Felswand begrenzt wird. Im Hintergrund Mähgeräusche unter den Olivenbäumen. Trotz aller Abgeschiedenheit, Landwirtschafts-Lärm kann jederzeit losgehen. Uns erinnert er daran, was für ein unernstes Unterfangen so eine Inselwanderung doch ist… Für die durchwegs auto-affinen Insulaner sind wir sowieso Exoten.

Dann noch wenige Kilometer bis nach Račišće. Der Ort überrascht durch seine Weite und Freundlichkeit. Mittendrin die Bocciabahn mit amerikanischen Touristen. Kinder spielen auf der Straße, eine französische Familie übt sich im Bootsfahren und das Café hat geöffnet. Eisgekühltes Zitronenwasser erfrischt die Wanderer. Unser Appartement direkt im Ortszentrum hat einen eigenen Hausstrand. Dort stellen wir uns auch ein Tischchen fürs Abendessen hin – das müssen wir auch hier selbst organisieren.

Marco Polo, der berühmteste Sohn der Stadt

Am dritten Tag ist die Stadt Korčula unser Ziel. Der Weg führt weiterhin die Küste entlang, zum Teil wenige Meter neben dem Meer, das hier nur mehr zwei Kilometer schmal ist. Gegenüber auf Pelješac erhebt sich der Sveti Ilja (961 Meter). Durch seine verkarstete, spärlich bewachsene Oberfläche wirkt er besonders imposant. Appartementgebäude häufen sich, eine letzte Kurve und der Blick ist frei auf die städtische Festungsanlage und den gotischen Turm der St. Markus-Kathedrale. Ihr Namenspatron gibt bereits einen Hinweis, dass die Insel seit dem späten Mittelalter unter venezianischer Herrschaft stand. Und deshalb ist es auch kein Widerspruch, dass der berühmteste Sohn der Stadt, Marco Polo, in der Geschichte als Venezianer verbucht wird.

Stadtbesichtigung, Erkunden der engen Gassen, Rundgang über die Stadtmauer sind hier ein Muss, andererseits auch schnell erledigt. Wir beschließen einen Spaziergang nach Lumbarda, einem Ort mit Sandstrand (sehr selten in Kroatien!), zu machen und aus dem eine zu Mittag verkostete lokale Weinspezialität, der Grk, stammt.

Menschenfreundlicher Begleiter

Wir werden dabei von einem Spaniel begleitet. Es ist nämlich so, dass es in Kroatien in fast jedem Ort einen Hund gibt, der zwar irgendjemandem gehört, aber dennoch ein sehr selbstständiges Leben führt. Neben dem Gastgartentyp und dem Kontrollfreak, der manisch die Gassen des jeweiligen Ortes durchstreift, sind wir da auf den menschenfreundlichen Begleiter gestoßen, der – spricht man ihn nur nett an – sofort die Gelegenheit für ein Stück gemeinsames Spazieren nutzt.

In Korčula, das im Hochsommer zugestandelt und von Tagesausflüglern heimgesucht ist, sind die Restaurants schon geöffnet und man hat auch um diese Jahreszeit eine breite Palette an Übernachtungsmöglichkeiten. Wir haben ein Zimmer im historischen Zentrum gleich neben der Ruine von Marco Polos Geburtshaus gebucht.

Zur schönsten Buch Korčulas

Vom Inselosten erfolgt der Rückweg zum großen Teil durchs Landesinnere. Hier lernen wir das traditionelle Inselleben kennen. Die alten Orte mit grauen Steinhäusern befinden sich weit weg von der Küste, weil die Gefahr von Piratenüberfällen bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts hoch war. Heute durchwandern wir sie auf ausgestorbenen Straßen. Umgeben sind sie von Olivenhainen und Gemüsegärten. Diese erscheinen handtuchgroß. Weinstöcke kriechen direkt über der von Steinen und Felsen durchsetzten roten Erde – Ohne Handarbeit und krummen Rücken geht hier gar nichts...

Um die Südküste wenigstens einmal zu touchieren – einen durchgehenden Weg wie im Norden gibt es nicht – nehmen wir die waldigen Serpentinen, die nach Pupnatska Luka hinabführen, der "schönsten Bucht Korčulas". So ein Prädikat führt leider zur touristischen Übernutzung. Parkplätze, Kioske und Müll trüben den Eindruck. Dennoch lässt sich gut baden im klaren Wasser.

Beerencrumble als Nachspeise

Über Čara erreichen wir unser Ziel Smokvica, ein Ort mit ungefähr 1.000 Einwohnern. Hier gibt es, was es sonst im Landesinneren nicht gibt: zwei Zimmer zu mieten. John und Katie haben sich vor ca. zehn Jahren in diesen Ort verliebt und sind aus den USA hierher gezogen. Sie haben ein traditionelles Wohnhaus für sich und ihre Gäste hergerichtet, das einen perfekten Blick über die fruchtbare Hochebene bietet. Zwischen den Hügeln sieht man sogar das Meer. Umschwirrt von Mauerseglern und Schwalben gibt es ein internationales Menü mit Beerencrumble als Nachspeise.

Ein würdiger Abschluss, denn der nächste Tag hält nur mehr 18 Kilometer Wanderung bereit. Beim Besuch von Blato, früher der größte Ort der Insel, begegnen wir schwarz gekleideten Kirchgängerinnenauf dem saalartigen Kirchplatz. Schließlich weiter nach Vela Luka, wo wir einchecken in die 14.30 Uhr Fähre nach Split. Um 21 Uhr geht es mit dem Bus zurück nach Wien. (Reinhilde Becker, 29.5.2018)